Revolting Cocks - Got Cock?

Review

Die REVOLTING COCKS veröffentlichten seit ihrem Wiederaufleben (fast) regelmäßig im Jahrestakt ihre Alben bzw. Remixes – „Cocked and Loaded“ 2006, „Cocktail Mixxx“ 2007, „Sex-O Olympic-O“ 2009, ebenfalls 2009: „Sex-O Mixxx-O“ und jetzt „Got Cock?“. Von diesem Rhythmus ließ man sich offenbar auch nicht durch den geplanten Weggang Al Jourgensens‘ ablenken, der sich Anfang 2009 ganz aus der Showmanship-Arena zurückziehen wollte – „Sex-O Olympic-O“ als letzten, anstößigen Seufzer vor dem Musiker-Ruhestand promotend –, sich aber schon kurze Zeit darauf durch sich selbst ersetzen würde. Also wieder alles beim Alten. Leider haben aber sie diesmal wenig Aufregendes zustande gebracht.

Zwischen Rock und Industrial, billigem Südstaaten-Flair und relaxtem Tabledance-Groove, Euphorie und Lautstärke zelebrierten REVCO ganz eigene post-industrielle Orgien und Mysterien-Theater, konstruierten ein weit reichendes Netz aus Bezügen und Mitstreitern, aus Symbolen und musikalischen Genres, die sich vermischten, überlagerten und sich in rauschhafter, experimenteller, kreativer Lust zu einem wahrhaft frei entfaltetem ästhetischen Hedonismus manifestierten. Ihre Soundtracks zum Dirty Talk wirkten immer wie eine halb ernst gemeinte, verklischeete Light-Version von Jourgensens kompromissloser (Ex-?)Hauptband. Mit eingängigem, elektronisch (buchstäblich!) überzogenem Industrial-Rock überschritten sie jene Grenze zur Tanzbarkeit, die für MINISTRY tabu war. Das konnte man sich gefallen lassen, das funktionierte alles prächtig. Eine Band, die nichts anderes bringen sollte als ein ironisches Zwinkern unserer postmodern geschulten Augäpfel.

Doch der anzügliche Enthusiasmus ist einer überlegten Professionalität gewichen. Musikalisch erweckt „Got Cock?“ selten den Eindruck, als seien die Songs aus einem Guss entstanden, aus Freude am Sound, sondern die Platte klingt mehr als sei sie aus Notwendigkeit gemacht worden, aus Profilsucht oder Selbstgefälligkeit. Das fängt bei der Länge der Tracks an, die selten die Vier-Minutenmarke unterschreiten, aber nicht mehr als nur eine Refrain-Idee auf zweieinhalb Minuten zu bieten haben, und endet noch nicht bei der Durchhörbarkeit, die sich nicht so recht einstellen will. Da finden sich verrauchte, entspannte Stücke wie der Opener „Trojan Horse“ neben stur dümpelnden EBM-Nummern („Dykes“ und „Air Traffic Control“), Sirenen blöken, schale Beats rumpeln stoisch, der Transistor-Amp röchelt im Möchtegern-Modus, und obwohl sicher das eine oder andere Stück klar geht, so sind Highlights spärlich gesät, so geht’s nur an wenigen Stellen so richtig zur Sache. Die rudimentäre, ja ideenfreie Spielart der REVOLTING COCKS klingt verrostet und zum Teil derart hohl, dass man nicht mal mehr drüber amüsiert sein will. Es dürfte kaum eine zweite Platte von Jourgensen geben, die mit weniger Herzblut zusammengeklatscht wurde. Es festigt sich mehr und mehr der Eindruck: Al Jourgensen hat mit seinen Bands längst alles gesagt.

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06.04.2010

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1 Kommentar zu Revolting Cocks - Got Cock?

  1. beta sagt:

    Absolut treffendes Review! Was die Revolting Cocks mit einem derart sinn- und ideenfreien Album wollen, wird mir ein Rätsel bleiben. So billig und unlustig wie das Cover… *gähn*

    5/10