Helden sterben niemals, sagt man. Das natürlich ist Unsinn; alles geht unter im Fluss der Vergänlichkeit und des Vergessens, sogar Legenden. Allerdings, und genau das macht es ja aus, gehen Legenden nicht still und leise unter, verhallen nicht wie ungehörte Schreie im Niemandsland. Legenden sterben glorreich, heißt es. REVEREND BIZARRE nun mögen in ihrer Schaffenszeit eine der ganz großen Bands gewesen sein, ob sie dadurch allerdings zu einem legendären Status avancierten, ist fragwürdig. Nun, posthum, da die Band sich mit „III: So Long Suckers“ das eigene Denkmal setzt, machen die Doomster sich selbst unsterblich – tot und doch unsterblich. Jedenfalls tun sie das, was ihre Musik betrifft, die in der Szene nicht vergessen werden wird.
Dieses Review ist schwer, sehr schwer. 130 Minuten Musik kompakt in Worte fassen ist die eine Herausforderung, REVEREND BIZARREs Genialität mit Worten, und seien sie noch so schmückend, überhaupt gerecht zu werden, die andere: ein Ding der Unmöglichkeit. Nichtsdestotrotz, das ist klar, gehört das Werk der Finnen angemessen besprochen. Überflüssig scheint es, zu sagen, dass die Band dem Doom der alten Schule huldigt; überflüssig, Namen wie SAINT VITUS, PENTAGRAM und natürlich BLACK SABBATH in den Raum zu werfen. Das ist sowieso jedem Hörer klar, und wird mit Sicherheit dieselbe polarisierende Wirkung auf das Publikum haben wie die vorigen Veröffentlichungen. REVEREND BIZARRE findet man nicht einfach ok; man liebt oder hasst sie, etwas anderes lässt die Extremität ihrer Musik unweigerlich kaum zu. Musik, so scheint es, ist nun auch das Stichwort, um mit „III: So Long Suckers“ fortzufahren. Der Schein aber trügt; erwähnenswert ist die Gestaltung des Albums. Diese ist schon in der abgespeckten Promoversion sehr gelungen. Psychedelisches Coverartwork und zwei CDs, deren gestalterisches Konzept sich erst bei genauerem Hinsehen im Detail erschließt. Die wahre Stärke derer liegt nämlich im Tiefschwarzen verborgen. Im Tiefschwarzen verborgen liegt auch die überragende Genialität der Musik; die kleinen Details sind es, die das Album so einzigartig machen. Wären diese Details in ihrem Wesen nicht so überzeugend, schlüge das gesamte Konzept REVEREND BIZARREs wohl recht schnell in Langeweile um. Eine halbe Stunde dauert „They Used Dark Forces / Teutonic Witch“, der Opener der ersten CD. Ewig lang scheint die Wiederholung einer einzelnen Klangfolge zu Beginn, ewig das hypnotische Wiederholen desselben Akkordes. Jede Sekunde, jeden Drumschlag, jedes Schwingen der Saiten und jedes Wort aus Albert Witchfinders Gesangsorgan ist der Hörer hierbei gefesselt, umgarnt von der einzigartigen Atmosphäre. Alles ist perfekt durchdacht; die Rhythmussektion erschließt sich, schlüssig wie sie ist, schnell – und ist dennoch ausgebufft. Wenn es zelebrierten Groove gibt, dann auf „III: So Long Suckers“. REVEREND BIZARRE decken ein breites Spektrum ab. Mal so von Groove getrieben, dass es schon rockig wirkt, mal fragil und in sich selbst zusammengebrochen. Sei es die ewige Wiederholung eines genialen Riffs, oder der Bass, der sich just in die Leadrolle drängt und dabei ausgetüftelt überzeugt. Schon der Opener beweist, dass derselbe Instrumentallauf über Minuten gespielt keine Langeweile, sondern Spannung aufkommen lässt. Bemerkenswert ist auch das Drumming der Band; hochpräzise gespielt reicht es von sich quälend schleppenden Parts bis hin zu treibendem Doublebass. Wenngleich man sich stets im Bereich des sehr langsamen bewegt, ist das Schlagzeug auffallend abwechslungsreich. Bemerkenswert.
Dass REVEREND BIZARRE nebst rockigem Doom auch in der Lage sind, die tiefsten Abgründe der Seele zu vertonen, zeigen sie auf „III: So Long Suckers“ ebenfalls hinlänglich. Beim zweiten Song „Sorrow“ ist der Name Programm: fesselnder geht es kaum, wenn die wabernde Düsternis den Hörer aus den Boxen herab basslastig niederdrückt und umfängt. Nach etwas über einer Viertelstunde verliert „Sorrow“ seinen zähen, schleppenden Charakter; nunmehr treibt der charmante Gesang in Kombination mit wohl durchdachtem Riff gewaltig. Gen Ende des Songs – wobei „Ende“ bei einem REVEREND-BIZARRE-Song gut zehn Minuten Spielzeit bedeutet – reichen sich verschiedene Instrumentalsoli die Klinke gegenseitig in die Hand. Ihr musikalisches und spielerisches Genie müssen die Finnen im Grunde gar nicht mehr beweisen; mit „Sorrow“ tun sie es dennoch zur Genüge. „Funeral Sommer“ begeistert mit sich langsam aufbauschender Atmosphäre, die sich stets steigert um am Ende im treibenden Doublebasspart zu münden. Ein würdiger Abschluss von der ersten CD des Albums. Natürlich beherrscht die Band auch musikalische Spielarten, die über den Doom und Metal allgemein hinausgehen; „One Last Time“, Eröffnungssong der zweiten Platte, kokettiert mit jazzigem Drumming, oft wiederholtem musikalischen Thema und Gesang, der dieses Mal – gleichfalls dem Hörer schmeichelnd und emotional packend – im Einklang zur Melodie ertönt. „Kundalini Arisen“ stellt das einzige reine Instrumental der Platte dar: Schön bluesig, leicht psychedelisch und mit etwas über vier Minuten extrem kurz. „Caesar Forever“, das folgende Stück ist wenigstens stellenweise wohl das „Doom Over The World“ von „III: So Long Suckers“; zwar ist es weitaus länger und braucht mehr Zeit, um sich zu entfalten, doch startet es dann mit Ohrwurmpotential voll durch. Nebst der Textzeile „Doom over the world“ wird mir jetzt auch noch „Christs may come and christs may go but Caesar is forever“ im Kopf herumschwirren – verflixte Ohrwürmer!
Nach der heroisch ausklingenden Hymne folgt die Ernüchterung; das Abschlusstück des Albums, das letzte Stück REVEREND BIZARRE. Wie man das anzugehen hat, verstehen die Finnen hervorragend: über Minuten hinweg ist leises Erklingen der Saiten das einzige, was der Hörer vernimmt. Das ist so eine Stelle, bei der man durchatmen könnte, würde man nicht zurecht gebannt den Atem anhalten. Nach über vier Minuten bricht er wieder los, der finnische Sturm; dröhnender Bass warnt als Vorbote vor dem, was da kommt. Treibendes Drumming, wieder einer dieser genialen Gitarrenläufe, die auch ewig langgezogen nicht die Spannung verlieren, und Witchfinders Gesang, dieses Mal bedrohlich und einschüchternd; vom Ende kündend. Doch REVEREND BIZARRE wären nicht REVEREND BIZARRE, wenn sie es dabei beließen. Der Sturm, mühsam erarbeitet durch das treibende Drumming, den einprägsamen Gitarrenlauf und die härteren Vocals, bricht unerwartet in sich zusammen. Sanftes Ticken der Hi-Hat, Rutschen am Bass und eine zerbrechlich-fragile Gitarrenmelodie vereinen sich mit der Stimme, dieses mal wunderschön, harmonisch, umschmeichelnd und zutiefst emotional, zu einer Musik, die verstohlen und leise den letzten Rest von Licht und gleichfalls die volle Einsamkeit des Hörers in sich aufsaugt; tiefschwarz und anziehend wie ein schwarzes Loch. Doch wie eine alte Weisheit besagt, folgt auf die Ruhe der Sturm; mit ihrem Abschied entfesseln REVEREND BIZARRE die Apokalypse, um dann unerwartet im Nichts zu verschwinden. Nach den letzten Tönen von „Anywhere Out Of This World“ schluckt man nicht einfach nur, man starrt und lauscht gebannt in die Leere.
Das also ist es: das Ende der Band. Mit einem zünftigen „So Long Suckers“ verabschiedet sich eine Gruppe, deren Sitz der Olymp des Doom war und sicher lange bleiben wird. Mit ihrem Abschiedsalbum haben REVEREND BIZARRE sich in 130 Minuten Musik, die zu keiner Sekunde loslassen, ihren eigenen Grabstein, ihr eigenes Denkmal gemeißelt. „No longer mourn for me when I am dead“, sagte William Shakespeare. „III: So Long Suckers“ lässt mir gar keine andere Wahl, als zum allerersten Mal in fast einem Jahr metal.de die Höchstnote zu vergeben. Und noch etwas geschieht zum allerersten Mal: ich gebe einer Formulierung der Presseinfo vollkommen Recht. The group has dismantled, but the legacy remains. The Reverend is dead. All hail The Reverend!
Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch den tag sehen würde, an dem ich einer metal.de-rezension mal aus vollem herzen zustimmen würde, aber nun ist es so weit. das beeindruckendste an der scheibe ist für mich, dass sie enorm lang ist, und dennoch nie langweilig wird.
Bereits das erste, halbstündige Lied ist jeden Cent wert. Wäre der Rest nicht ebenfalls über allen Zweifeln erhaben, könnte man hier bereits von Bonus-Material sprechen.
Hier begegnet man schlichtweg einem der besten Doom-Alben aller Zeiten.
Geile Scheibe, aber
„Christs may come and christs may go but Caesar is forever“
ist so mit das, wenn nicht das Dümmste, was ich je gelesen habe. Naja, Metal halt.. 😀
„Might Is Right, or The Survival of the Fittest“
Erstauflage: 1890
Autor: Ragnar Redbeard (Pseudonym)
Kapitel 4 Zitat: „Christs may come and christs may go but Caesar is forever“
Danke, ich hab‘ mir im Nachhinein auch gedacht, dass das ’n Zitat sein könnte und aus dem Kontext gerissen, aber das klang für sich gesehen halt so dumm und sollte auch nicht Pro-Christentum gemeint sein. 😉