
Es sind turbulente Zeiten für den Gitarrenvirtuosen Christian Münzner. Einerseits muss er sich gerade mit dem Ärgernis rumschlagen, dass sein Ex-Kollege Steffen Kummerer ungefragt und wider anders lautender Vereinbarungen mutmaßlich Material für das aktuelle OBSCURA-Album “A Sonication” verwendet hat und sich dafür als alleinigen Songwriter creditet. Münzner hat außerdem gerade eine Vielzahl interessanter Projekte und Bands in der Pipeline, die demnächst mit neuen Alben an den Start gehen. Nach dem musikalisch (und menschlich) ohnehin stark enttäuschenden OBSCURA-Album ist es daher eine wahre Freude, dass sich Münzner mit seinen ehemaligen Kollegen von SPAWN OF POSSESSION, mit denen er 2012 das fabelhafte “Incurso” aufnahm, unter dem neuen Namen RETROMORPHOSIS zusammengeschlossen hat. Bietet “Psalmus Mortis” also gewohnt erstklassigen Technical Death Metal und kann es an “Incurso” anschließen?
Aus SPAWN OF POSSESSION werden RETROMORPHOSIS
Als hätte es die vergangenen 13 Jahre nicht gegeben, schnitzt sich Hauptsongwriter Jonas Bryssling mit chirurgischer Präzision ein Mega-Riff nach dem anderen aus den Rippen. Im Vergleich zu SPAWN OF POSSESSION geben sich RETROMORPHOSIS ein klein wenig aufgeräumter. Die Musiker nehmen sich häufiger zugunsten von markanten Strukturen im handwerklichen Bereich etwas zurück und haben “Psalmus Mortis” insgesamt weniger hektisch als “Incurso” komponiert. Selbstverständlich büßt ihr Death Metal dabei weder Brutalität noch Raffinesse ein. Man muss kaum erwähnen, dass gerade die Gitarrensoli eines Christian Münzner allein dieses Album zu einem lohnenswerten Hörerlebnis machen.
Zudem ist die Scheibe unglaublich tight. Also klar, die Instrumente ballern mit atemberaubender Genauigkeit. Tight aber auch im Sinne von ‘kompakt’. Die Songs kommen mit geradezu militärischer Akkuranz auf den Punkt, haben alles, was sie brauchen und lassen einen nach insgesamt 42 Minuten geplättet im Sessel zurück – das fördert den Wunsch, die Platte erneut zu hören. Trotz aller technischer Extravaganzen erzeugen RETROMORPHOSIS in Horror-Epen wie “Aunt Christie’s Will”, “The Tree” oder dem Neunminüter “Machine” durch zurückhaltende, flächige Synthies genügend Atmosphäre. Die schwedisch-deutsche Freundschaft ist eine technische Band, aber sie sind niemals so proggy, dass sie nicht für ‘normale’ Death-Metal-Fans genießbar wären. Anders gesagt: sie sind näher an MORBID ANGEL oder NILE als an GORGUTS oder ALKALOID, einer weiteren ehemaligen Baustelle Münzners.
“Psalmus Mortis” – Ein Wiedersehen mit Freude
In seinem Genre ist “Psalmus Mortis” eine wahre Wohltat. RETROMORPHOSIS überzeugen mit knackigem, anspruchsvollen Death Metal, einer mustergültigen Performance und starkem Songwriting. Wer SPAWN OF POSSESSION oder eine der anderen oben genannten Bands mag, kann hier bedenkenlos zuschlagen.
Als Bonus ist noch hinzuzufügen, dass wir uns demnächst noch auf mehr Veröffentlichungen aus dem Umfeld freuen können. Münzner hat noch Alben mit den Technical Deathern ESCHATON und seiner Power-Metal-Band ETERNITY’S END in der Pipeline und arbeitet momentan an einem Techno-Thrash-Projekt namens VOID SECTOR ZERO. Riffs, die Münzner ursprünglich für die neue OBSCURA vorgeschlagen hatte und bei seinem Ausstieg “mitnahm”, nun aber von Steffen Kummerer ohne Credit für OBSCURA benutzt wurden, werden auf den kommenden Alben der letzten beiden genannten Bands zu finden sein. Außerdem haben sich mit Tom “Fountainhead” Geldschläger und Florian Magnus “Morean” Maier weitere OBSCURA-Alumni unter dem Namen CHANGELING zusammengeschlossen, die demnächst über Season Of Mist ihr Debüt veröffentlichen. Doch das ist eine andere Geschichte …
Für das bisher veröffentlichte Single-Material wäre ich sogar geneigt, eine 9 zu ziehen. Warten wir mal auf das Album…
Vorneweg, mir ist nicht ganz klar, wieso sich gefühlt 2/3 des Reviews mit Christian Münzner beschäftigt, ist es doch weder „seine“ Band, noch fungiert er hier als Hauptsongwriter, da meines Wissens eig der Hauptteil aus Brysslings (und teilweise aus Caspersens) Feder stammt. Davon unbenommen ist natürlich die Tatsache, dass Münzner eine der wenigen Gitarristen in dem Bereich ist, der einen absolut unverkennbaren Stil hat. Fällt mir adhoc nur Phil Tougas ein mit einem vergleichbaren Impact.
Auf die Platte freu ich mich seit ca. 2-3 (?) Jahren, als es die ersten Gerüchte und Snippets gab! Musikalisch ist es natürlich irgendwie genau das, was man erwarten durfte. Wenig verwunderlich, sollte doch der Nachfolger von „Incurso“ unter dem Banner SoP seinerzeit eben, wer hätte es gedacht, „Retromorphosis“ heißen. Dennoch merkt man der Platte an, dass versucht wurde, auch neue Wege zu bestreiten. Die Keys sind flächiger und präsenter, die Songs kompakter und straighter, die Necrophagist’schen neoklassischen Anleihen sind weniger geworden, gleichzeitig wird aber öfter mal auf feiner Weise an Death oder Morbid Angel reminisziert. Hervorzuheben ist auch wieder mal Röndums Gesangsperformance. Seine Vocals sind nicht die druckvollsten oder besonders sick, aber die Art seiner Phrasierung, abgestimmt auf die restliche Instrumentierung, ist schon außergewöhnlich.
Unterm Strich jedenfalls eine tolle Platte, die allerdings mit der allmächtigen Vorgängerband noch nicht mithalten kann und man darf gespannt sein, wohin die Entwicklung von Retromorphosis geht, denn ein Großteil des Materials wird vermutlich bereits für den SoP Nachfolger geschrieben worden sein.
Zum Schluss möchte ich aber noch darauf hinweisen, wie schade ich es finde, dass man sich für ein derart bescheidenes Artwork entschieden hat, vor allem vor dem Hintergrund, dass man als SoP mit namhaften Künstlern wie Olofsson zusammengearbeitet hat und dadurch mit „Noctambulant“ und „Incurso“ zwei absolut stimmige und ikonische Artworks hatte, die die Stimmung auf den jeweiligen Alben perfekt eingefangen hat. Hier passt das für mich absolut gar nicht zusammen. In meinen Augen eine vertane Chance den Neustart auch visuell zu veredeln.
Morjen morjen,
ich hörte da gestern mal rein, kann leider gar nichts mir anfangen – liegt an mir – bin zu dem Musikstil nicht kompatibel und immer recht schnell entvervt, insbesondere auch von der Art des Singens.
Ich könnte so was gar nicht bewerten, da ich es ja nichtmal schaffe durchzuhören, geschweige denn ein System zu sehen, auch wenn ich über 3 Jahrzehnte selber klampfte. Da gehts mir wie mit der modernen Musik, die die Jugend heute so hört – von wegen Bumbatsch – früher nannte man so was Techno, keine Ahnung, was da heute in ist.
Die Sprachverwirrung zu Babel greift auch in der Seelensprache der Musik – es gibt immer wieder Sachen, die verstehe ich einfach nicht.