Rendezvous Point - Universal Chaos

Review

Soundcheck Mai 2019# 12

Während Debütalben oft erst im Nachhinein für Aufsehen sorgen, haben Zweitwerke gerne mit einer ungleich großen Erwartungshaltung zu kämpfen. Genau das gilt für „Universal Chaos“, welches nun auf das 2015 erschienene und extrem starke „Solar Storm” folgt. RENDEZVOUS POINT aus Norwegen stehen für komplett entstaubten, klaren, modernen Progressive Metal, der fast gänzlich auf Referenzen aus dem Genre verzichten kann.

Im gleichen Atemzug könnte man höchstens LEPROUS nennen, gleichermaßen Nordlichter, die das Genre in die Moderne gehievt haben. Beide Bands haben im wesentlichen auch eins – oder besser gesagt einen – gemeinsam: Schlagzeuger Baard Kolstad. Der ist nicht gerade unwesentlich an der Ausartung der Klangkunst beteiligt. Bei RENDEZVOUS POINT schiebt der herausstechende Drumstick-Artist aber eine etwas ruhigere Kugel.

RENDEZVOUS POINT sind ihre eigene Messlatte

Ansonsten stehen RENDEZVOUS POINT über weiteste Strecken, auch mit dem zweiten Album, unverwechselbar für sich. Und hohe Qualität. Der Beweis erscheint nun in Form einer 43-minütigen Reise durch neun Tracks.

Der Titel des Albums zieht sich wie ein wabernder Energie-Leitfaden durch die komplette Silberscheibe. Dabei beschäftigen sich die fünf studierten Musiker*innen sowohl mit dem persönlichen Inneren, wie dem uns umgebenden, weltlichen Universum. Und dem Chaos, das unser persönliches Universum immer wieder zu erschüttern vermag.

Gunn-Hildes Bass kommt nicht nur im Opener „Apollo“ eine tragende Rolle zu. Auch „Digital Waste“ startet mit einem Keyboard-Intro, das von der tiefen Vibration der Saiten in den ausnahmsweise nicht minder tiefen Gesang des Sängers übergeht. Ein Hauch AYREON-Gefühl macht sich breit, das mit der sich entladenden Drum-, Gitarren und Synth-Explosion aber schnell verflogen ist. Instrumente, Gesang, Refrain, alles zusammen ergibt einen wahrhaft epischen Viereinhalbminüter.

Tonschicht für Tonschicht treten viele Details zutage

Der namensgebende Song des Albums will da nicht minder hinten anstehen. „Universal Chaos“ ist dramatisch, rhythmuslastig, treibend. Und doch ist immer noch etwas Zeit für niemals ausartende, perfekt eingepasste Gitarrensoli.

Nicolay Tangen Svennæs Synths beziehungsweise Keys sind trotz ihrer sphärischen Präsenz niemals kitschig. Sie bilden neben der gerne auch mal unbequemen, gitarristischen, schlagwerkenden Vertracktheit, einen ordnenden, ruhigen Gegenpol, der durch die Songs trägt.

„Pressure“ und „The Takedown“ sind hier wohl die besten Vertreter der Marke „Vertrackt“, durch welche sich aber stets immer wieder klare Melodien und Gesang winden. Diese Songs biedern sich nicht beim ersten Hören an, sie entfalten erst nach ein paar Durchläufen ihre Stärken.

„Unfaithfull“ lässt unterdessen gerade mal eine Sekunde verstreichen ehe es den Hörer mit Wucht in ein NINE INCH NAILS-Paralleluniversum katapultiert. Synthetisch groovender Industrial Rock, der sich zu einem Live-Knochenkiller entwickeln könnte.

Mit „Resurrection“ und „Undefeated“ rollt das Album einem fast zu entspannten geratenen Finale entgegen. Während ersterer sich mit einem angenehmen Jazz-Topping ziert, wandelt der Rausschmeißer erst gemächlich, dann aber doch noch mit aufstrebender Epik den letzten Sekunden entgegen.

„Universal Chaos“ gehört in jede Prog-Lastige Musiksammlung

RENDEZVOUS POINT schaffen es eine extrem klare Produktion zu zimmern, die trotz ihrer Perfektion nach ehrlichem Handwerk klingt. Wie deutlich sich verschiedenste, verwobene Instrumente, Rhythmen, Melodien voneinander abheben, ohne zu einem ganzen zu verklumpen, ist geradezu bemerkenswert.

Über all dem thront Geirmund Hansens perfekt ausgebildetes Stimmorgan. Mal gefühlvoll und sanft, mal energisch aber immer perfekt akzentuiert. Und das egal ob parallel oder versetzt zu Melodie und Rhythmus. Eine Kunst, mit welcher die Band immer wieder geschickt spielt – jedoch ohne völlig abgehobene Klangkunst für Komplexitätsfetischisten zu machen.

„Universal Chaos“ ist ein würdiger „Solar Storm“-Nachfolger, der eine leicht stärkere, erste Hälfte aufweist. Durchweg alle Songs zeugen von großer Detailverliebtheit, Perfektion und kreativer Ambition. RENDEZVOUS POINT gehören endgültig und nun auch mit dem Zweitwerk erwiesenermaßen in jedes Prog-Regal. Noch viel häufiger allerdings auf den Platten- oder in den CD-Spieler.

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17.05.2019

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