Refused - War Music

Review

Dass zu einer Band und ihrer historischen Bedeutung im Rahmen des Genres wie REFUSED eigentlich keine weiteren Worte verloren werden müssen ist klar. Es sei trotzdem noch einmal kurz angebracht: „The Shape of Punk to come“ hat 1998 kurz vor der Jahrtausendwende den Punk auf die Füße gestellt, ordentlich dran geschüttelt und es sind ein Haufen neuer Bands raus gefallen, die sich durch das experimentelle Treiben auf diesem Album inspiriert gefühlt haben dürften und ihrerseits neue Impulse gesetzt haben. Nicht umsonst wird es als wichtiges Album von so unterschiedlichen Künstlern wie STEVE AOKI, LINKIN PARK und FRANK TURNER in ihrem persönlichen musikalischen Werdegang angesehen.

Angesichts dessen kann seit dem Nachfolger „Freedom“ von 2015 auch mit „War Music“ nun kein Genre-umkrempelndes Meisterwerk erwartet werden, aber die Erwartung an gute Musik mit Attitüde lässt der Name REFUSED doch schon aufleben. Auch die Beteiligung am Soundtrack vom neuen kommenden Shooter-RPG-Hybrid CYBERPUNK 2077 dürfte den alten schwedischen Punkrockern einen Haufen neue Fans beschert haben: „Chippin In“ und „Never fade away“ machten einfach Lust auf neues von REFUSED.

REFUSED zwischen Anknüpfen an alte Tugenden und kleinen Experimenten

Die elektronischen Spielereien und Experimente hat man nicht ganz verlernt, man steigt damit in „Rev 001“ gleich als kleines Intro ein, nur um im Folgenden das noch Experimentelle auf „The Shape of Punk to come“ aber auch Vorgänger „Freedom“ komplett liegen zu lassen und eigentlich den Tugenden im Punk zu folgen: Eingängig, simpel, kurz und knackig. Die meisten Songs übersteigen knapp die Marke von drei Minuten, das Album selbst hinterlässt ein wenig mehr als eine halbe Stunde auf der Uhr. Auch eine gewisse Grundwut ist wieder da, nicht zuletzt in den Riffs und den immer noch herrlich rotzigen Schreien von Dennis Lyxzén, der wie schon vor 25 Jahren den Widerstand gegen erstärkten rechten Rand und Kapitalismus an-, sowie auch persönliches aus dem damaligen Leben in Schweden als junge Punks be-singt.

Konzeptionell  zieht sich die wiedergefundene Punkattitüde durch Texte und auch Artwork wie ein roter Faden durchs Album: Man hat scheinbar seine Wurzeln wieder entdeckt und ist musikalisch doch nicht einer gewissen metallischen Schlagseite, teilweise gewisser Technik, die sonst ja eher verpönt im Genre ist, unaufgeschlossen gegenüber. Davon zeugen für Punk/Hardcore-Verhältnisse anspruchsvolle Riffs wie in „Violent Reaction“, oder auch zwischen Groove und Aggression wechselnde Tracks wie „The Infamous Left“, „Turn the Cross“ und „Damaged III“. Aber auch poppig-eingängige Stücke in beinahe Wave-Gefilde wie „I Wanna Watch The World Burn“, die dem Weltuntergang dann scheinbar noch jugendliche Leichtigkeit und Romantik schenken, haben sich dazwischen geschlichen. Aber diese ganzen kleinen Experimente, wie auch die an 8-bit-Musik erinnernden Töne im Opening zu „Death in Vännäs“ , sind eher Zuckerguss als wirklich neue Soundexperimente mit tiefgreifenden Neuerungen bei REFUSED.

Weder Grenzen- noch  Genre-sprengend

Im besten Falle könnte man konstatieren, REFUSED besinnen sich auf ihre alten Stärken und probieren sich zwischendrin in bereits Gehörtem aus. Im schlechtesten kann man den werten Herren Altersmüdigkeit und ein wenig Ideenlosigkeit vorwerfen. So tritt „War Music“ trotz so mancher Schlenker in Richtung Thrash/Crossover oder Hardcore weder richtig Arsch, noch können gekünstelt wirkende Passagen wie im Chorus von „Blood Red“ mit akustischer Gitarre und melancholischen Melodien das Meisterstück von „The Shape of Punk to come“ wiederholen und verschiedene Genres mit traumtänzerischer Leichtigkeit anspruchsvoll verbinden und trotzdem den Kern des Punk in Sound und Attitüde beibehalten.

„War Music“ bellt, aber das war es dann auch schon. So wird das mit der Revolution eher nichts. Nicht falsch verstehen, hier spielen immer noch über 25 Jahre Erfahrung und das hört man. Aber weder zeigt man den Jungspunden mit dem hier Präsentiertem Feuer unterm Hintern, noch können die kleinen Experimente und Samples den Schlenker zum eigenen vorigen Schaffen als gelungene Selbstreferenz machen oder gar als Innovation im Jahre 2019 gelten.

„War Music“ ist solide, taugt allerdings weder als Revolutionssoundtrack noch als intelligenter Crossover

„War Music“ ist kein schlechtes Album, aber doch eine kleine Enttäuschung für Fans, die nach „Freedom“ auf neues Futter im Sinne „alter“ REFUSED gewartet haben… und wenn es nur ein Aufguss des Sounds der Erstwerke gewesen wäre. Textlich radikal und teilweise an der Geschmacksgrenze unterwegs (Ulrike Meinhoff muss jetzt nicht unbedingt weitere Beachtung finden), muss angesichts exklusiven Werbedeals und Marketing heutzutage sicherlich auch die Frage erlaubt sein, wie integer die Message der Band noch ist. Allerdings, warum die Mechanismen des Systems nicht gegen es selbst benutzen?

Leuten die nur froh sind wieder REFUSED zurück zu haben oder in wohliger Punk/Hardcore-Nostalgie schwelgen wollen sei „War Music“ ans Herz gelegt. Wer ein wenig mehr Anspruch wünscht und ein neues Meisterwerk wie seinerzeit „The Shape of Punk to come“ erwartet, den muss man enttäuschen: So beliebig und austauschbar hat man REFUSED selten gehört. Was angesichts der musikalischen Vergangenheit adelt und hier auf „War Music“ auch noch einigen Bands voraus ist, aber man muss sich gegenüber der Konkurrenz heutzutage, selbst aus dem eigenen Land (u.a. etwa MILLENCOLIN oder RAISED FIST), ja auch nicht unter Wert verkaufen. Die neuen Impulse im Genre setzen 2019 nicht mehr REFUSED, so viel macht „War Music“ klar.

 

11.12.2019
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