Soso, „nach dem mythischsten aller Edelmetalle“ haben RAWKFIST ihr drittes Album also benannt. Dabei bedeutet das lateinische „chryseus“ nichts anderes als „golden“. Und wenngleich dieses aufgrund relativistischer Effekte gelblich glänzende Zeug durchaus hübsch anzuschauen und zu nicht minder ansehnlichen Preisen zu verkaufen sein mag, ist von der erwähnten Mystik in der heutigen Zeit außerhalb dubioser Esoteriker-Kreise nicht viel übrig geblieben. Doch schaffen RAWKFIST es mit ihrem dritten Album, dem „güldenen“ Silberling über musikalisch solide Handwerkskunst hinaus auch etwas vom in der Alltagswelt längst vergangenen arkanen Zauber des namensgebenden Werkstoffes einzuhauchen?
Letztlich schaffen sie es wirklich. Jedoch ist der Weg dorthin nicht frei von Schlaglöchern, über die der ein oder andere Zuhörer stolpern wird. Musikalisch eng verwandt mit Bands wie WITHIN TEMPTATION oder EPICA tragen die Franken immer wieder eine extradicke Schicht Kitsch und Pathos auf, mit der man sich erst einmal anfreunden muss. Dass man dabei aber nur selten in seichte Belanglosigkeiten abdriftet, sondern immer wieder pointiert auf den musikalischen Punkt kommt, demonstriert das gute Händchen für durchdachte Songstrukturen. Ein Quäntchen mehr an Unberechenbarkeit und Mut zum Verrückten könnte der Truppe, die unlängst auch einige Shows im Vorprogramm der Mittelalter-Folk-Rocker SCHANDMAUL bestreiten durften, diesbezüglich den Weg an die Genre-Spitze ebnen.
An der teilweise arg hohen und schrillen Stimme von Sabine Hillmer werden sich einige garantiert stören. Dessen ungeachtet zeigt sich der Sopran der Frontlady aber auf einem hohen technischen Niveau und transportiert auch die in den Lyrics geweckten Emotionen überwiegend gut. Dabei hilft auch die angenehm klare und differenzierte Produktion der Scheibe, die in den Wolfsburger Gate Studios von Olaf Reitmeier gemastert wurde. So kann der aufmerksame Zuhörer auch die in „Invincible“ geschickt eingestreuten Reminiszenzen an Edvard Griegs „Peer Gynt Suite“ klar und deutlich erkennen.
An Abwechslung mangelt es „Chryseus“ nicht. Das Spektrum reicht vom überlangen, angenehm dynamisch-vielschichtigen Titeltrack über das ohrwurmig-flotte „My Heart Untamed“ bis hin zur ruhigen Piano-basierten Ballade „Silent War“. Störend wirken hingegen die vereinzelt eingestreuten Electro-Elemente, die jedoch nur in „They Made Me Walk The Plank“ den Hintergrund verlassen und dominant werden, was das disco-lastige Stück wie einen Fremdkörper auf der Scheibe wirken lässt. Am Ende gibt es mit dem besinnlichen „Minstrel“, das nur von Gesang und Akustikgitarre bestritten wird, so etwas wie einen Bonus-Track, der einen höchst angenehmen Rausschmeißer für dieses Album bildet.
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