Ravage (US) - The End Of Tomorrow

Review

„The End Of Tomorrow“ von RAVAGE ist eine dieser Scheiben, deren Klasse man beim ersten Hören noch gar nicht richtig erfassen kann. Die Feinheiten der Arrangements, die zahlreichen Virtuositäten des Gitarrenduos und die Qualität der gut durchdachten Konstrukte offenbaren sich erst beim wiederholten Durchlauf. Aber deswegen hört man als Rezensent ein Album ja auch mehrmals, bevor man sich an die Tastatur setzt.

Was uns erwartet ist eine Vereinigung aus von der NWoBHM beeinflussten klasssischem Metal und US Power Metal. Angereichert wird das Gericht durch eine kräftige Prise Old-School-Trash-Metal. Es ist eine Mixtur, die ordentlich Dynamik entwickelt, aber trotzdem Wert auf eingängige Hooklines und kröhnende Höhepunkte legt. Die Rhythmustruppe macht schön Druck, die Gitarristen können sich auf dieser Basis austoben und Sänger Alec „Al Ravage“ Firicano drückt den Songs mit seinem kraftvollen und rauhen Organ in mittlerer Lage ihren Stempel auf. Manchmal kommen mir beim Gesang Ähnlichkeiten zu Peavy Wagner in den Sinn, wie auch die Musik gelegentlich Parallelen zu RAGEs heaviesten Zeiten erkennen lässt.

Nachdem ein kurzes Intro in das Instrumental „The Halls Of Madness“ übergeht, bekommt man direkt den ersten Vorgeschmack vom Können der Instrumentalisten. Zu meinem Entsetzen ist diese Nummer nach nur 1:38 schon wieder vorbei, doch sie dient wohl sozusagen als Appetizer auf das, was noch folgen wird. Stücke wie „Freedom Fighter“ und „Grapes Of Wrath“ sind dann auch die perfekte Mischung aus wuchtigem Vormarsch, straightem Konstrukt und melodischem, einprägsamem Höhepunkt. Bei „Damn Nation“ regieren ganz klar die Anleihen des Thrash Metal und verpassen dem Song eine gewaltige Energie. Auch „The Shredder“ macht den Eindruck, als wollten RAVAGE musikalisch alles plätten, was sich ihnen in den Weg stellt. Damit man zwischendurch Luft holen oder den Nackenmuskeln etwas Erholung gönnen kann, gibt es auch immer wieder mal Stampfer wie „Into The Shakles“ oder „In Shattered Dreams“, bei denen melodischere Aspekte eine Rolle spielen. Doch die Power wird nie außer Acht gelassen. Zum Schunkeln und Schmusen gibt es auf „The End Of Tommorrow“ kein Material, und das ist auch gut so.
Umrahmt von zwei kurzen Songs, die sich „The Nightmare’s Hold Part I + II“ nennen und die als Einleiter und Outfader dienen, gibt es eine wirklich starke Coverversion von JUDAS‘ „Nightcrawler“ aus dem „Painkiller“-Album. Wer sich auf die anders klingenden Vocals einlassen kann, wird daran Gefallen finden, da diese Version noch mehr Energie transportiert als das Original. Und Al Ravage löst seinen Gesangspart auch wirklich gut. Die tieferen, rauhen Vocals passen sehr gut, und zum Ende hin beweist er, dass er sogar Screams beherrscht. Das Beste haben sich RAVAGE aber bis zum Schluss aufgehoben. Der Titeltrack „The End Of Tomorrow“ ist eine wunderbare Metal-Hymne, die wieder genau den Mittelweg zwischer druckvoller Ausrichtung, straightem Konstrukt, melodischen Leads und herrlichem Mitgröhl-Refrain findet.

RAVAGE haben ein einwandfreies Metal-Album abgeliefert, dass keinerlei Auszeiten nimmt, sondern von der ersten bis zur letzten Minute unheimlich viel Energie versprüht. Obwohl alle Musiker am Gelingen des Werkes ihren Anteil leisten, muss ich trotzdem nochmal die Gitarrenarbeit hervorheben. Eli Firicano (der Bruder des Sängers) und Nick Izzo zaubern tolle Riffs und Licks aus dem Ärmel und begeistern immer wieder mit den Solo-Einlagen.

Den fünf Amerikanern gelingt eine starke Mixtur aus purer Dynamik und gelungenen Melodien. Vergleiche sind schwer zu ziehen und gehen am Ehesten zu den Landsleuten von CAGE, JAG PANZER oder HELSTAR und zu den erwähnten RAGE in ihren toughesten Zeiten. Oder noch zu Halfords ehemaliger Truppe FIGHT, nur mit noch etwas mehr Power.
„The End Of Tomorrow“ sollte auf dem Einkaufszettel jedes Metalers stehen, der wirklich druckvollen Heavy Metal mag.

08.08.2009

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