Ratt - Out Of The Cellar

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Scannt man heutzutage Portale wie Blabbermouth nach News über die amerikanische Band RATT, ist kaum zu glauben, dass das Quintett aus Los Angeles spätestens mit Veröffentlichung ihres Debütalbums “Out Of The Cellar” mal einer der heißesten Rockacts überhaupt war. Fielen die (ehemaligen) Bandmitglieder in den letzten Jahren eher dadurch auf, dass sie sich über die Klatschpresse öffentlich mehr oder weniger bekriegten und “Nettigkeiten” an den Kopf warfen, waren sie 1984 eine verschworene und aufstrebende Band, die mit ihrer heißen Musik und der energiegeladenen Performance die Fanherzen im Sturm eroberte.

RATT eroberten die Fanherzen im Sturm

Sänger Stephen Pearcy gründete die Band 1976 als MICKEY RATT, kürzte bald den Namen in RATT ein und schleuste eine Vielzahl von Musikern durch den Proberaum. Gitarrist Robbin Crosby blieb, anders als Jake E. Lee (später Seitenhexer bei OZZY OSBOURNE), der aber immerhin den blutjungen Warren De Martini an die Glam-Metaller vermittelte. Der bildete als verspielter Flitzefinger den Gegenpart zum eher bodenständig rockenden Crosby, welcher anfangs noch für einen Großteil der Songs zuständig war. Das sollte sich später ändern. Komplettiert wurde die Band durch Schlagzeuger Bobby Blotzer und Bassist Juan Croucier.

Und die fünf Jungs spielten sich im Kalifornien der Achtziger an die Spitze einer aufstrebenden Szene, die auf einen harten, wenngleich melodischen Sound und einen hedonistischen Lifestyle setzte: Glam Metal verband hautenge Spandexhosen und bunte Anstecktücher mit hochtoupierten Haarsprayfrisuren, einen harten Gitarrenanschlag mit einem unnachlässig pumpenden Beat. Die Musik war ebenso offensiv wie die Texte.

Hautenge Spandexhosen und hochtoupierte Haarsprayfrisuren

Mit diesem Rezept und einer ersten, erstaunlich erfolgreichen EP als Köder bissen schließlich Atlantic Records an und statteten das Quintett mit einem ordentlichen Budget, Studiozeit und einem aufstrebenden Produzenten aus: Beau Hill (später WINGER, WARRANT, EUROPE etc.) war derjenige, der “Out Of The Cellar” so richtig zum Glänzen brachte. Die Vorarbeit leistete aber die Band, und das meisterte sie mit Bravour: Zehn Tracks, die allesamt gut ins Ohr gehen und von denen “Round And Round” zum größten RATT-Hit überhaupt avancieren sollte.

Die Scheibe beginnt aber mit dem selbstbewusst betitelten “Wanted Man”, das nur vermeintlich in die Szenerie des Wilden Westens passt: Das offizielle Musikvideo greift zwar auch diesen Topos auf, unterschlägt aber nicht die auf der Bühne zelebrierte Auszeichnung für 1,5 Millionen verkaufte Scheiben – von heute insgesamt 3,7 Millionen Stück. Welcherart “Wanted Men” Pearcy & Co. selbst sein wollten (und waren), zeigt das Video denn auch: Immerhin jubelt ihnen dort ein imposantes, mehrheitlich weibliches Publikum zu.

Und das ist auch ein großer Unterschied beispielsweise zur NWoBHM: RATT haben sich in ihren Songs und Riffs durchaus von ihr inspirieren lassen, flechten auch immer wieder doppelstimmige Gitarrenleads in ihre Songs ein, setzen aber in ihrem Bühnenauftritt und Habitus voll auf die Porno-Breitseite: Statt nietenbesetzter Lederkluft tragen die Jungs Kajal, Tücher und Spandex, tänzeln (die Hüften kreisend) über die Bühne und nehmen weibliche Fans per Geste ins Visier. Wen das noch nicht überzeugt, den kocht Stephen Pearcy mit seiner naturrauen Stimme weich.

“Out Of The Cellar” vereinigt zehn Tracks, deren gemeinsame Klammer der Fokus auf einem eingängigen Chorus ist. Das schaffen RATT übrigens so gut, dass man das Album für eine Best-Of-Zusammenstellung halten könnte, wenn man es nicht besser wüsste. Und wenn sich die Jungs an den damals vorherrschenden (Heavy-Metal-) Trends bedient haben, spannt der letzte Track “Scene Of The Crime“ den Bogen zum Ende des Jahrzehnts – da klingt dann ein kleines bisschen GUNS N’ ROSES durch, und da weiß man, wo sich jene ihrerseits ihre Inspirationen geholt haben.

“Out Of The Cellar” ist (ein klitzekleines bisschen) zeitlos

Musikalisch ist “Out Of The Cellar” abwechslungsreich, es verbindet Härte mit Melodie, Eingängigkeit mit spielerischer Finesse, und es erzeugt unterschiedliche Stimmungen ganz ohne Ballade – die hätte später immer mit dabei sein müssen. So gesehen ist das Album ein klitzekleines bisschen zeitlos. Zudem ist durch das Gitarrenspiel von Warren De Martini und den Trademarkgesang von Stephen Pearcy stets zu hören, dass hier RATT am Werkeln sind.

Bereits im Mai 1985 legten RATT nach und veröffentlichten den Nachfolger “Invasion Of Your Privacy”, das sich ebenfalls millionenmal verkaufte. Es folgten “Dancing Undercover” (1986) und “Reach For The Sky” (1988), bevor bei “Detonator” (1990) das Dynamit schon ein wenig Feuchtigkeit gezogen hatte. Glam Metal war eben nicht mehr der letzte Schrei, und außerdem hatte sich die Band im Spannungsfeld zwischen Album und Touren, zwischen Erfolg und dem Druck, nachlegen zu müssen, aufgerieben. Gitarrist Robbin Crosby übertrieb es zudem mit dem süßen Partyleben, hing irgendwann an der Nadel, fing sich eine HIV-Infektion ein und starb 2002.

Hangover nach dem Partyleben

RATT wiederum waren nach einer Auszeit zwischen 1996 und 2022 in unterschiedlichen Besetzungen aktiv, wobei sich insbesondere Sänger Stephen Pearcy und Drummer Bobby Blotzer schließlich verkrachten und öffentlich gepfefferte Wortgefechte lieferten. Ein Thema, das wir in dieser Rubrik nicht weiter vertiefen wollen; statt dessen sollte doch eher die Musik im Vordergrund stehen: Haltet also die Augen auf, wenn wir uns an dieser Stelle “Invasion Of Your Privacy” vornehmen.

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