“Och nee, das sieht nach übelstem Powermetal aus, der Anfang klingt sogar danach! Ich glaub, ich tret das Teil gleich wieder in die Tonne…“
So meine Gedanken in den ersten Sekunden der neuen RAM-ZET-Scheibe. Als dann das Schwarzmetallische Gekreisch begann, dass mich etwas an DEVIN TOWNSEND während angepissten STRAPPING YOUNG LAD-Songs erinnerte, spitzten sich meine Ohren zu. Die kräftige weibliche Stimme als Kontrast dazu, der Keyboardteppich und der anschließende ruhige Teil ließen wieder etwas Kitsch-Angst in mir aufsteigen, doch je weiter eben dieser Opener mit dem Namen “Infamia“ fortschritt, desto mehr war ich gefesselt. Welche Sängerin im Metal kriegt bitteschön Glissandos über zwei volle Oktaven nach oben so perfekt hin?
Dann wird mir klar, dass “Infamia“ tatsächlich nur das Appetithäppchen darstellt und das Album daraufhin exponentiell an Qualität, Abwechslungsreichtum, Pathos und Abgedrehtheit zunimmt! Der Knaller über die gesamte Länge ist dabei die Stimme von Sängerin Sfinx, die mal verführerisch, mal arrogant, mal verzweifelt klingt, immer aber genau den passenden Tonfall trifft. In Kombination mit den technischen Frickeleien der Instrumentalfraktion mag sich der ein- oder andere vielleicht an UNEXPECT erinnert fühlen, doch im Gegensatz zu den Kanadier/Innen sind RAM-ZET wesentlich geradliniger, ich möchte fast schon sagen “hörbarer“. Das Grundgerüst besteht ebenfalls aus einer Art melodischem Black Metal, gebettet in komplexere Polyrhythmen, krumme Takte und recht umfangreiche Instrumentierung (inklusive Geige). Was die Norweger hier aber absolut richtig machen ist, diese Instrumentierung auch songdienlich einzusetzen und großen Wert auf Eingängigkeit zu legen. Kein Song ohne großartiges Hook, kein Song ohne die passende Prise Pathos, kein Song ohne Spaßfaktor.
Ausfälle gibt’s nicht, zu keinem Zeitpunkt könnte man der Band unterstellen, unnötiges Füllmaterial in die Songs gepackt zu haben. Umso größer die Leistung, unter diesen Umständen sogar zehnminütige Songs in gehobenem Tempo auf die Platte zu packen, die verdammt gut funktionieren! Zwar haben MESHUGGAH bei manchen Songs nicht nur entfernt Pate gestanden, dies bezieht sich aber nur auf gewisse rhythmische Spielereien, nicht aber auf die Melodieführung (kann mir mal wer eine schöne Melodie bei MESHUGGAH zeigen?).
“Neutralized“ ist ein typisches Langzeitwirkungsalbum geworden, denn die Spannungsbögen und die Hooks in den Songs haben die Fähigkeit, Hörer auch längerfristig zu fesseln. Wem CRADLE OF FILTH zu langweilig oder UNEXPECT zu abgedreht sind, wird an RAM-ZET seine helle Freude haben – aber eigentlich sei eine Empfehlung an alle ausgesprochen, die gerne harte, düstere, aber nicht aggressive melodische Musik hören!
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