Raised Fist - From The North
Review
Das Jahr 2015 ist noch nicht so wirklich alt und schon gibt es ein erstes Highlight aus der Hardcore-Sparte zu verzeichnen. Zu verdanken haben wir es den Schweden von RAISED FIST – mit mittlerweile über zwanzig Bandjahren auf dem Buckel fast schon ein Haufen alter Hasen. Alte Hasen mit einem starken Backkatalog, einer Eigenständigkeit und Kompromisslosigkeit die über weite Strecken ihresgleichen sucht. Stolze sechs Jahre sind seit dem abgefeierten Vorgänger „Veil of Ignorance“ vergangen. „From The North“ ist anders, vielleicht etwas weniger brutal und entbehrt auch jene technischen Elemente mit denen RAISED FIST bisher im ansonsten recht stumpfen Auf-die-Fresse-Hardcore von sich Reden machten. Dafür ist mir aber schon lange kein so homogenes Album mit einer so großen Hitdichte mehr untergekommen wie „From The North“.
Zunächst: Alexander „Alle“ Hagmans Gesang bleibt natürlich auch 2015 Geschmackssache. Der Mann klingt stellenweise wie Brian Johnson auf Stoff, ein durch die Hardcore-Schule geprügelter Papagei. Das kann man auf Anhieb mögen oder sich einfach dran gewöhnen, denn ein wenig Eigenständigkeit bei den Shouts braucht der Hardcore dringend. Ein Song wie „We Will Live Forever“ verbreitet zudem gerade durch die Vocals eine rohe, ehrliche Sentimentalität, die einen nachdenklich zurücklässt.
Wenn dieser Song noch am ehesten zwischen den anderen hervorsticht hat das weniger mit allgemeiner Langeweile oder Eintönigkeit zu tun, als vielmehr mit der Tatsache, dass RAISED FIST dieses Mal einfach eine Hymne nach der anderen aufs Band gekloppt haben. Das rockige „Flow“ eröffnet den Reigen und überzeugt mit tatsächlich „geflowtem“ Gesang über dem reduzierten Verse und einem Mitgröhl-Refrain zum Dahinschmelzen. „Chaos“ erinnert in seiner dramatischen Angepisstheit an COMEBACK KID – sehr viel Post-Hardcore in diesem Song – und „Man & Earth“ ist tatsächlich noch eine Spur melodischer und mitreißender. „In Circles“ zieht den zuvor nur fest umfassten Hardcore-Knüppel endgültig aus dem Sack und legt trotz aller Härte einen Ohrwurmrefrain hin, der dieses Teil zu einem der vielen Albumhighlights macht.
Wie bereits in der Vergangenheit gibt es mit „Ready to Defy“ auch auf „From The North“ einen Titel, auf dem ein bisschen mit Nu-Metal-Elementen gespielt wird. Stört nicht weiter, ist aber im bärenstarken Albumkontext trotzdem der schwächste Song. Knapp dreißig Minuten balancieren RAISED FIST ansonsten sicher auf ihrem eigens gemeißelten Grad zwischen melodischem Hardcore im Stile der frühen RISE AGAINST, Post-Hardcore und Rock-Elementen und der Realness der großen Vorbilder von SICK OF IT ALL. „From The North“ geht beim ersten Durchlauf rein, aber auch nach dem zehnten immer noch nicht raus. Starke Songs, große Melodien und Refrains, Aggressivität, Eigenständigkeit, Abwechslung und Mut zum Ungewöhnlichen. All das macht ein starkes Album. All das gibt es hier.