Radiant - Written By Life

Die 2014 in Norddeutschland gegründete, fünfköpfige Hard-Rock-Band RADIANT mag noch nicht den Stellenwert vergleichbarer Bands im Genre innehaben. Dennoch erhielt das 2018 servierte gleichnamige Debütalbum einige beachtenswerte Kritiken. Kein Wunder, denn mit dem renommierten Sänger, Songwriter und Produzenten Herbie Langhans (AVANTASIA, BEYOND THE BRIDGE, VOODOO CIRCLE u. a.) hat die Band einen musikalischen Tausendsassa an Bord, der dem neuen Projekt ordentlich auf die Sprünge half. Zu der Formation gehören zudem die beiden Gitarristen Carsten Stepanowicz und Flo Gottsleben, Bassist Markus Beck sowie Schlagzeuger Manni Spalka.

RADIANT präsentieren Studioalbum Nummer zwei

Dreieinhalb Jahre später wird nun Album Nummer zwei in die Regale gestellt. Deklariert wurde das Werk im Vorfeld als Konzeptalbum: Da das Leben bekanntlich die besten (oder auch schlechtesten) Geschichten schreibt, steuerte jedes Bandmitglied zwei bis drei autobiografische Songs aus persönlicher Erfahrung bei, so dass eine konzeptionelle Ausrichtung tatsächlich nicht zu leugnen ist. Musikalisch knüpft die Band mit den elf neuen Tracks jedenfalls dort an, wo sie mit dem Erstling aufgehört hat: Hard Rock/Metal mit signifikanter melodischer Schlagseite. Soundtechnisch veredelt wurde das Werk von Sascha Paeth, der schon Granden wie AVANTASIA, EPICA, KAMELOT, RHAPSODY OF FIRE oder EDGUY unter die Arme griff.

Mit dem gut gelaunten, nostalgisch angehauchten „Nightshift“ wird das Album eröffnet. Der Song, der vor einigen Wochen pre-released wurde, überzeugt mit einem ohrwurmverdächtigen Mitgröl-Chorus, eingängigen Gitarrenläufen und flotten Soli. Den Rest besorgt Herbies wiedererkennungsfähige Stimme – ein Auftakt mit positiven Vibes, der zugleich die Marschrichtung andeutet. „Contagioned“ wurde ebenfalls vorab ins Rennen geschickt, und das nicht zu Unrecht. Ein atmosphärischer, melodischer und dicht arrangierter Midtempo-Song, der sich erneut mit Erinnerungen an die ersten musikalischen Gehversuche beschäftigt. Definitiv ein Highlight des Albums.

Ein aus Erinnerungen geschmiedetes Album mit viel Nostalgie

Bei dem stimmungsgeladenen „Real Passion Will Never Die“ möchte man am liebsten aufstehen und das Luftmikro schwingen. In dem Song geht es um nostalgische Erinnerungen beim Kauf der ersten Schallplatten, wobei auch leise Kritik am heutigen Streaming-Verhalten der Kids zu erkennen ist: „Today the kids are streaming. They even don’t know what they hear.“ Ein Krieg der Generationen? Eher weniger, aber vielleicht ein Wink mit dem Zaunpfahl, was den retrospektiven Genuss von Musik angeht.

Das an traditionellen Hard Rock angelehnte „Dare To Fail“ sollte man ebenfalls nicht verpasst haben; schon alleine der bockstarke Gitarrenpart macht den Song zum Erlebnis. Nicht weniger empfehlenswert ist die Powerballade „Because Of You“ sowie „Rock And Win“, eine flotte Rock-Nummer mit einem schönen Querschnitt aus allem, was die Musik von RADIANT ausmacht. Zudem erinnern einige Gitarrenläufe an IRON MAIDEN oder JUDAS PRIEST, was bedeuten könnte, dass die Nordlichter irgendetwas richtiggemacht haben.

Auch „Stand That Fight“ fügt sich mit seiner Eingängigkeit und Herbies starker Stimme – die sich wie ein unkaputtbarer roter Faden durch das Album zieht – nahtlos ein in eine Reihe von Songs, die den Hörer in ihren Bann ziehen. Zum Ende hin wird „Twice A Week“ mit seinem fast trotzigen Refrain und einigen dezenten Screams aufgeboten. Der sympathisch-unkomplizierte Rausschmeißer „Hang Around With Friends“ hat dann wieder diese positiven Vibes, die für einen angemessenen Abschluss der Langrille sorgen.

Ein starkes Album mit ein wenig Luft nach oben

Die inhaltliche Konstruktion des Albums wirkt vergleichsweise simpel, auch komplexe Songstrukturen sind eher die Ausnahme. Das Hauptaugenmerk der Platte liegt eindeutig auf der autobiografischen Aufarbeitung persönlicher Erlebnisse der damals noch jungen Musiker. Umgesetzt wurde dies auf charismatische, nostalgische und spieltechnisch anspruchsvolle Weise, was dem Album zusätzliche Tiefe verleiht. Musikalisch und kompositorisch überzeugen die eingängigen Melodien, die schnörkellosen Lyrics, die konstant hochklassige Gitarrenarbeit und nicht zuletzt Herbies wuchtiger Gesang mit XXL-Wiedererkennungswert.

Was „Written By Life“ trotz guter Ansätze fehlt, ist der eine oder andere epische oder bombastische Moment, der musikalisch gut ins Konzept passen würde. Aber auch so bleibt ein beeindruckendes, gehörgangsaffines Werk mit starkem Songmaterial, hervorragenden Musikern und einer kreativen Botschaft. Und das, was man als „Luft nach oben“ bezeichnen könnte, ist sicher nichts, was der Fünfer nicht noch hinbekommen könnte.