Ja, ich liebe „Operation: Mindcrime“. Denn was Geoff Tate und seine Mannen 1988 mit diesem Album auf die Beine stellten, übertraf schlichtweg meine kühnsten Träume und auch die der Presse, denn die überschlug sich damals förmlich. Dabei hatte ich nicht daran geglaubt, dass mich jemals wieder ein Konzeptalbum so fesseln könnte, wie es seinerzeit PINK FLOYDs „The Wall“ geschafft hatte. Mittlerweile, viele Jahre später, bin ich allerdings eines Besseren belehrt und weiss, dass es zumindest noch ein weiteres Highlight – nämlich „The Crimson Idol“ (W.A.S.P.) – in der Geschichte der Konzeptalben gibt, denen man uneingeschränkt zu huldigen hat. Doch die zeitlichen Abstände zwischen solchen musikalischen Meisterleistungen werden immer grösser und die Qualität der Veröffentlichungen mit jedem Jahr generell zunehmenst bedeutungsloser. Das ist einfach so.
Einer Band wie QUEENSRYCHE, die stets konsequent ihren Weg gegangen ist, macht man diesbezüglich natürlich nichts vor. Umso überraschter war ich, als tatsächlich ganz offiziell der Nachfolger zu einem der bedeutensten Konzeptalben der Achtziger angekündigt wurde und sich nicht nur Begeisterung breit machte, sondern auch ein (berechtigter) Aufschrei durch die Metal-Gemeinde zog: „Warum, zum Teufel, legt sich eine Band ganz bewusst die Bürde auf, sich mit ihrem stärksten Album selbst zu messen? Ist Geoff Tate grössenwahnsinnig geworden?“ Natürlich kann man ein solches Vorhaben als Herausforderung sehen, bei völligem Versagen widerum aber auch als eigene Demontage eines Bandstatus, den QUEENSRYCHE in den Augen vieler Fans bereits nach „Promised Land“ völlig verspielt hatten. Eines hatte diese Aktion allerdings bereits nach Ankündigung von „Operation: Mindcrime II“ bewirkt: Die Band war wieder in den Medien, QUEENSRYCHE war zurück!
Achtzehn Jahre sass Nikki, der Protagonist des ersten Teils, im Knast und nicht nur für Nikki selbst, sondern auch für die Welt draussen hat sich während dieser Zeit viel verändert. Auch QUEENSRYCHE wissen davon ein (oder auch mehrere) Lied(er) zu singen, umso schöner also, dass „Operation: Mindcrime II“ mit „I’m American“ dieses unbefangene Freiheitsgefühl vermittelt, das man sonst nur auf einer Harley sitzend auf der Route 66 erlebt. Ein erstklassiger Auftakt, dem man schnell anmerkt, dass dieses Album völlig anders ist als der erste Teil.
Alle Fragen, die Nikki im Knast nicht beantwortet bekommen hat, entladen sich auf „Operation: Mindcrime II“ erst nach und nach, wobei der weitere Verlauf der Geschichte sehr viel psychedelischer aufgebaut ist und nicht so actionreich, wie es noch der Vorgänger war. Diesbezüglich beweist das Quintett aus Seattle anhand der verwendeten Leads, Breaks und ausgeklügelten Songstrukturen, dass man nichts verlernt hat und mit diesem Werk tatsächlich in der Lage ist, die Story zeitlich und musikalisch entsprechend umzusetzen. Auch an wunderbaren Melodien mangelt es dem Album nicht, wovon Songs wie „One Foot In Hell“, das folgende, relativ ruhige „Hostage“ und das eingängige „The Hands“, das in Melodieführung und Atmosphäre wahrhaftig an den ersten Teil erinnert, zeugen. Doch auch wenn der Gesang von Geoff Tate wirklich aussergewöhnlich ist, Ronnie James Dio als Dr. X überzeugt, und die Gitarren beinahe betörend wirken, lässt sich der fehlende Input von Chris DeGarmo leider nicht (ganz) verleugnen.
QUEENSRYCHE machen es mit „Operation: Mindcrime II“ wirklich schwer, denn zum Einen gehört das Album ganz klar mit zum Besten, was die Band seit „Empire“ veröffentlicht hat, auf der anderen Seite allerdings fehlt dieses absolute Gänsehaut-Feeling des ersten Teils. Ein Album wie „Operation: Mindcrime“ kann nicht übertroffen werden, das wissen wir und das weiss und wusste die Band auch selbst, aber diese Fortsetzung ist insgesamt gesehen ein würdiger Nachfolger, wenn auch deutlich sperriger. Aber wer die Zeit und Muße aufbringt, sich mit dem Wissen um den zeitlichen Abstand zwischen beiden Alben in den beiden Geschichten und der Musik zu verlieren, wird nicht enttäuscht.
Diese Band könnte Berge versetzen, ähnlich FATES WARNING, DEMON, VICIOUS RUMORS, METAL CHURCH, GRIFFIN, HEIR APPARENT… Warum tut sie es dann nicht? Weil sie meint, einen auf Schlager-trifft-Mitsingchorus aud Studiosus machen zu müssen. Weit mehr als Talent ist da, sie könnten locker neun Punkte machen, eine Mischung aus dem ersten "Mindcrime-Teil" und "The Lady Wore Black" würde ausreichen… Denn Vocals, Gitarren, Bass und Drums haben Klasse, ähnlich KING DIAMOND oder METALLICA (jawoll!). Stattdessen gibts wieder mal die obligatorische "Weiterentwicklung", anspruchsvoller, weniger spontan, seltener kantig etc…. Das geht schief wie stets, leider. Eine geile Band mit schlappen Songs, verdammte Scheiße!