„Ich bin in einer Welt voller Scheiße. Stimmt. Aber ich bin am Leben. Und ich hab‘ keine Angst…“ Das Zitat der Figur Private Jokers aus Stanley Kubricks oft gerühmten „Full Metal Jacket“ ganz am Ende des Films trifft in gewisser Weise den Nagel auf den Kopf: QUEENSRYCHE sind seit ihrer Gründung vor mittlerweile fast 30 Jahren aus der Rock- und Metal-Landschaft kaum wegzudenken, obwohl nach dem Ausstieg von Gitarrist Chris DeGarmo und mit Beginn des 21. Jahrhunderts keines ihrer Alben jemals wieder an „Empire“, dem kommerziell bisher größten Erfolg der Amerikaner auch nur annähernd heranreichen konnte, und die Band sowohl von ihren Fans selbst, als auch von der Presse teilweise bereits abgeschrieben wurde. Dennoch steckten Ausnahmesänger Geoff Tate – der einmal mehr auch auf dem aktuellen Album Glanzleistungen vollbringt – und seinen Mannen niemals den Kopf in den Sand und folgten mit jedem weiteren Album unvoreingenommen ihrem selbst gesteckten Weg.
Nach einer umstrittenen Fortsetzung ihres über allem erhabenen Konzeptalbums „Operation: Mindcrime“ aus dem Jahr 1988 vor drei Jahren legen QUEENSRYCHE mit „American Soldier“ nun ein weiteres Konzeptalbum nach, das die Fronterfahrungen amerikanischer Veteranen aus verschiedenen Kriegen vom Zweiten Weltkrieg bis zum Irak-Krieg aus deren Sicht und in ihren eigenen Worten schildert. Als Vorbereitung führte Sänger Geoff Tate zahlreiche Interviews mit Veteranen und frisch Eingezogenen, die teilweise in Form von Samples mit in die einzelnen Tracks integriert wurden. Schon allein deshalb gehört „American Soldier“ thematisch zweifelsohne zu den ambitioniertesten Werken der Bandgeschichte. Auch musikalisch hat das Album viel zu bieten, denn Special Effects wie Hubschraubergeräusche oder Sirenen sorgen für einige recht fette Hörmomente und eine Atmosphäre, die teilweise an düstere „Promised Land“-Zeiten erinnert: Anstatt eines aggressiven Albums hat die Band ein passend zum Seelenleben der Soldaten schwermütig-melancholisches eingespielt, das sich irgendwo auf dem Niveau von „Tribe“ und „Operation: Mindcrime II“ bewegt:
Der harte Opener „Sliver“, der vom Bootcamp, der Grundausbildung innerhalb der Army, erzählt und mit dem pushenden Intro („On your feet… I’m gonna tell you what’s up!“) förmlich mitreißt, während das „Welcome to the show“ fast hymnenartig erklingt, geht sehr gut ins Ohr. Der Song rockt, hat am Ende fast rap-artige, rhythmische Züge, und ist an im Gleichschritt marschierende Soldaten angelehnt. Auch das folgende, mit vielen Sprach-Samples angereicherte, modern riffende „Unafraid“ überrascht mit einer wunderbaren Gesangshookline, die im Ohr hängen bleibt.
Meine Highlights des Albums finden sich jedoch in Form der an seelige „Empire“ bzw. stellenweise sogar an „Operation: Mindcrime“-Zeiten (!) angelehnten Melodic-Rock-Nummer „The Killer“, in dem sich im rhythmischen Refrain die Gewissensfrage gestellt wird („Who will be the killer, who will be the winner?“) und der Ballade „Home Again“, einem Duett von Tate und seiner Tochter Emily aus zwei Sichtweisen: Der Vater wünscht sich im Krieg nichts sehnlicher, als nach Hause zurückzukehren; die Tochter, die ihren Vater vermisst, versteht die Zusammenhänge nicht und schreibt einen Brief, in dem sie bittet, dass ihr Vater ganz schnell wieder nach Hause zurück kommt. Michael Wiltons einfühlsames Gitarrenspiel unterstützt dabei die Melancholie des bewegenden, und nicht mal ansatzweise kitschigen Songs. Großartig!
Allerdings gibt es mit „At 30.000 Ft.“, „A Dead Man’s Word“, „If I Were King“ und „Remember Me“ gleich einige unspektakuläre Kompositionen, die mit den zuvor erwähnten Songs nur schwer mithalten können. Mit „Middle Of Hell“ hat sich dann auch noch eine extrem langweilige, unterdurchschnittliche Nummer eingeschlichen, die nicht hätte sein müssen.
Thematisch haben QUEENSRYCHE wirklich alles herausgeholt – „American Soldier“ ist grundsätzlich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Krieg, denn der Schrecken wird duch den Horror der Erzählungen verbreitet, anti-militärische Parolen sind jedoch nicht zu erwarten, denn diesbezüglich unterscheidet sich die europäische mit der US-amerikanischen Sichtweise zur Army, da u.a. auch Gespräche mit Tates Vater, einem Korea- und Vietnamveteranen, zu hören sind – und dafür gebührt der Band mein tiefster Respekt.
Auch handwerklich gibt es nichts zu bemängeln, denn vor allem der vermehrte Einsatz des Saxophons, das für einige Farbtupfer sorgt und nie deplatziert wirkt, ist als positiv zu nennen, allerdings fehlen mir auf „American Soldier“ insgesamt gesehen dann doch die wirklich prägnanten Refrains und schmissigen Harmonien, von denen es einst nur so wimmelte und mich auch auf „Operation: Mindcrime II“ begeistern: „American Soldier“ ist definitiv ein gutes Album, das mich jedoch in keinem Moment in extatische Verzückung versetzt oder Begeisterungsanstürme hervorruft, und trotz interessantem Konzept noch etwas abwechslungsreicher (s. „Operation: Mindcrime II“) hätte sein können.
Jaaaaaaa!! Power Metal!! Sind die frühern auch gut??
Sachma, Kollege über mir, ein Akademiker bist du nicht gerade, oder?
Power Metal? Na ja… nicht wirklich, ne?
Aber eine richtig gute Platte sehr schöne Riffs und der Gesang ist wie immer verdammt gut. Eines der besten Alben 2009 und nur knapp an der 8 vorbei.
Mein Review muss ich sofort korrigieren. Desto länger man es hört desto besser wird es! Unglaubliche Refrains und Melodien und super Texte unglaublich.
Anspieltipss: Hundret Mile Stare, At 30,000 Feet, A Dead Man’s Words, If I Were King