Das aufmerksamkeitsstarke bizarre Umschlagbild – es zeigt den mit rund drei Dutzend aufgerissenen Augen übersäten Leib einer offenbar schwangeren Frau, der von einem Schwarm Schaben berannt wird – täuscht nicht: Die nach dem antiken griechischen Philosophen benannten und bisher kaum bekannten New Yorker PYRRHON könnten mit ihrem zweiten Album „The Mother Of Virtues“ zu den Extreme-Metal-Aufsteigern des Jahres 2014 avancieren und bald in aller Munde sein. Wieso das? Passend zum Cover frönt das Brooklyn-Quartett alptraumhaftem Technical Death Metal, einer stets diffus bleibenden Melange aus in wirre Jazz-Rhythmen getunktem bösem Todesblei und unbehaglichen Post-Metal-Momenten voll trügerischer Entspannung. So zerstörerisch und doch nicht greifbar wie die See, die vom Sturm wieder und wieder gegen die Küste gepeitscht wird.
Vom Ansatz her sind PYRRHON den australischen Finsterheimern PORTAL nicht unähnlich – doch wenn diese ein Schleier undurchdringlicher Dunkelheit umgibt, scheinen die US-Amerikaner eher von fiebrigem Irrsinn befallen. Man könnte sie auch gut und gerne als die Todesblei-Variante mittelalt-neuer DEATHSPELL OMEGA bezeichnen. Welche Vergleiche man für das schwer kategorisierbare Material auch ziehen möchte: PYRRHON agieren vollkommen kompromisslos, mit abstrus erscheinenden Tempowechseln, die jedoch nur selten als störend empfunden werden, sowie einem ungezähmten Apokalypse-Prediger. Diesem Urheber des durchdringenden, hin und wieder deutlich effektbeladenen Gebrülls, Gekreisches und Gegrunzes nimmt man das Tänzeln irgendwo zwischen aggressivem Skeptizismus und Geisteskrankheit gerne ab.
Neben im PYRRHON-Kontext relativ geradlinigen, von Schlagwerk-Sperrfeuer gedeckten furiosen Attacken wie „Balkanized“ oder „Implant Fever“ finden sich auf „The Mother Of Virtues“ auch mehrere sich langsam dahinschleppende Brocken, die den schnelleren Liedern in Sachen Intensität keinesfalls nachstehen: Das die Albummitte bildende „Eternity In A Breath“ etwa beginnt ruhig, bevor es sich über übelgesinntes Gegrummel zu einem nach CULT OF LUNA in fies-modrig klingenden Post-Metal-/Sludge-Brecher entwickelt. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch das zehnminütige, von Weltuntergangs-Fantasien kündende Titelstück, in dessen zweiter Hälfte PYRRHON dann gänzlich abdrehen und abgehen, ja allen zeigen, wie vertonter Extreme-Metal-Wahnsinn zu klingen hat. Herrlich unkonventionell!
PYRRHON gehören zu den eher seltenen Exemplaren, die sowohl ihren Hirnschmalz als auch ihre immense Muskelkraft nutzen: „The Mother Of Virtues“ ist alles andere als Stangenware, zeigt sich sowohl technisch eindrucksvoll als auch zähnefletschend wild – das ist nicht leicht konsumierbar, aber dafür langfristig interessant.
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