Schön, dass es PYOGENESIS 13 lange Jahre nach ihrem letzten Lebenszeichen doch noch einmal wissen wollen. Schon das vorab veröffentlichte „Steam Paves Its Way (The Machine)“ machte vor einigen Wochen Lust auf das Rückkehr-Album „A Century In The Curse Of Time“. Mischt der treibende Dreieinhalbminüter doch den beschwingten Alternative Rock, den die Deutschen beginnend mit der 95er-Platte „Twinaleblood“ zockten, mit einigen kurzen Death-Metal-Passagen, die tatsächlich an ihre grandiose „Ignis Creatio“-Frühzeit erinnern. Sogar PYOGENESIS-Ur-Grunzgeselle Tim Eiermann hat nach annähernd ewiger Abwesenheit wieder angeheuert und beweist, dass er kaum etwas verlernt hat.
Aber mit diesen ersten Minuten führen die ehemaligen Süd- und jetzigen Norddeutschen uns auf eine ziemlich falsche Fährte, was die stilistische Ausrichtung ihres neuesten Streichs betrifft. Freut man sich nach dem packenden Einstieg auf das Beste aus beiden Welten, auf eine kontrastreiche Melange aus herrlich eingängigen PYO-Chorussen und knackigen, für eine wohlige Nostalgie sorgenden Todesblei-Einsprengseln, bekommt man die restliche Dreiviertelstunde lang lediglich aggressionsfreie, mal mehr, mal weniger attraktive Rockmusik mit Pop-Punk-Zuckerguss geboten. Puh! Fast ist man geneigt, von einer Enttäuschung zu sprechen. Soweit kommt es zum Glück nicht. Stattdessen umschmeicheln ziemlich bald die Gassenhauer „This Won’t Last Forever“ und vor allem das ebenso schlichte wie super-effektive „The Best Is Yet To Come“, bei denen das Quartett um Vordenker Flo V. Schwarz das macht, was es besonders gut kann: einen euphorisierenden Tenor mit einer leichten Melancholie vermengen.
Doch trotz etlicher ansprechender Stücke mit herausragenden Ohrwurm-Qualitäten fehlt es „A Century In The Curse Of Time“ in seiner Gesamtheit etwas an der Epik und Dynamik, die ein Konzeptalbum über den technischen Fortschritt und den dadurch angetriebenen gesellschaftlichen Wandel im 19. Jahrhundert verspricht. Die von Skepsis durchsetzte Aufbruchstimmung fangen PYOGENESIS zwar gekonnt ein, aber wo ist all der Dreck und das Elend jener Epoche? Da hätte beispielsweise das relativ kräftige „Lifeless“ noch ein paar Kanten mehr vertragen können. Oder das abschließende vierzehnminütige Titellied ein, zwei aufregende Wendungen.
„A Century In The Curse Of Time“ besitzt definitiv seine großen Momente, aber wenn die letzten Tropfen des abschließend fallenden Regens verhallt sind, ist es deutlich spürbar: das Gefühl, das PYOGENESIS hier das Potential für einen echten Paukenschlag verschenkt haben. Wahrscheinlich hätte es nur ein klein wenig mehr Wagnis gebraucht. Und vielleicht noch ein bisschen Wut im Bauch.
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