Pryapisme - Futurologie

Review

Liebe Freundinnen und Freunde abgedrehter Musik,

ich habe lange mit mir gerungen. Eigentlich müsste ich „Futurologie“, die in diesen Tagen erscheinende EP des Verrückten-Kollektivs PRYAPISME (wer diesen Begriff am Arbeitsplatz googelt, ist selbst Schuld!), rezensieren, indem ich aus den Weiten des Internets irgendwelche Katzenbilder zusammenklaube und auf diese Weise versuche, der Musik des Zwei- / Zwölftrackers (je nachdem, wie man denn zählen möchte) gerecht zu werden. Das scheitert jedoch an drei Hürden: Erstens sind Katzenbilder eh eine Plage im Internet – und damit irgendwie auch nichts Besonderes mehr; zweitens habe ich beim besten Willen keine Bilder von Katzen finden können, die „Futurologie“ in puncto Wahnsinn auch nur annähernd das Wasser reichen könnten; drittens finde ich, dass PRYAPISMEs neues Werk sehr viel mehr verdient hat als eine Abhandlung in Form von Katzenbildern. Kurzum: Es gibt nun doch ein halbwegs normales Review zu einer alles andere als normalen Veröffentlichung.

Meine innige Freundschaft mit PRYAPISME begann mit diesem Video, das mittlerweile über 800.000 Klicks gesammelt (und wahrscheinlich etwa halb so viele epileptische Anfälle induziert) hat. Das zugehörige Album „Hyperblast Supercollider“ rannte bei mir offene Türen ein (ich weiß allerdings nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist…) und konnte sogar Platz zwei meiner Best-of-2013 ergattern. Es ist keine Untertreibung: Ich habe zuvor (und auch danach – das muss ich vorweg nehmen) nie eine derart homogene Verschmelzung vielfältigster Einflüsse hören dürfen. „Homogen“ meint hier nicht nur, dass bei PRYAPISME musikalisch alles an seinem Platz ist und es keine echten „Brüche“ gibt: auf „Futurologie“ finden sich von Steel Drums über 8bit-Fragmente, schwarzmetallische Leads, klassischen Arrangements, Drum’n’Bass, Dubstep, bis hin zu Soundtrack-Klängen so ziemlich alles. „Homogen“ heißt aber vor Allem, dass es den Franzosen auf „Hyperblast Supercollider“ meisterhaft gelungen ist, atmosphärisch kongruent zu agieren – und das, obwohl auch hier die Einflüsse mit „mannigfaltig“ ein deutlich zu schwaches Attribut erhalten.

Ähnliches erwartete ich von „Futurologie“ – und ich wurde auch nicht enttäuscht, so viel ist klar. Der große Unterschied zu „Hyperblast Supercollider“ ist jedoch, dass es sich bei „Futurologie“ um einen in elf Unterkapitel (deren Länge zwischen 1:04 und 2:57 variiert – man könnte es „mundgerechte Happen“ nennen) unterteilten Song handelt. Ich möchte nicht behaupten, dass PRYAPISME an der selbst gesetzten Herausforderung eines Songs scheitern – wahrscheinlich machen sie sogar das Beste aus der Situation, in die sie sich selbst mit voller Absicht manövriert haben -; es ist aber doch irgendwie… kontraproduktiv, wenn eine Band, deren Musik von der inhärenten Struktur des selbst erschaffenen Chaos lebt, sich auf diese Weise limitiert. Brüche erschaffen PRYAPISME nur (noch) durch Sprachsamples, nicht (mehr) durch die Grenzen zwischen für sich stehenden Songs.

Das ist natürlich Gejammer auf hohem Niveau – „Futurologie“ lässt trotzdem das Allermeiste, das sich irgendwie als „progressiv“, „visionär“ oder „avantgardistisch“ bezeichnet, verdammt alt aussehen; das Verblüffende daran ist, dass „Petit traité de futurologie sur l’Homo cretinus trampolinis (et son annexe sur les nageoires caudales)“ (so der volle Titel) trotzdem wie aus einem Guss klingt – fast ein wenig zu aus einem Guss für meinen Geschmack. Mir fehlt auf „Futurologie“ ein wenig das vollständige Ausloten der atmosphärischen Möglichkeiten (man höre nur mal im Vergleich „Lesbian bordello“ und „J’ai envie de te claquer“ von „Hyperblast Supercollider“), wenngleich PRYAPISME auch hier wirken, als seien Übergänge zwischen verschiedenen ihre leichteste Übung…

Als i-Tüpfelchen gibt es auf „Futurologie“ nach dem Klang gewordenen Wahnsinn noch etwas Balsam für die geschundenen Ohren – „Petit traité de futurologie sur l’Homo cretinus trampolinis (et son annexe sur les nageoires caudales)“ als Orchester-Version. Doch selbst die dürfte die eine oder andere Gehirnwindung noch etwas weiter verdrehen…

Wer nun neugierig ist, wie „Futurologie“ in seiner Gesamtheit klingt, kann sich die EP auf der Bandcamp-Seite von Apathia Records in voller Länge anhören. Viel… Spaß.

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02.02.2015

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