Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
I love Primus because their music will have the most sick dark instrumentals and then the lyrics will be like „Blumpus Shlick on a pogo stick glorpin up the road“
Dieser Kommentar unter dem Musikvideo zu „My Name Is Mud“ fasst im Grunde die gesamte Faszination hinter PRIMUS wunderbar zusammen. Hier ist eine typische Band vom Schlage „Man liebt sie oder hasst sie“, einfach weil sie so anders ist, in ihrem Anderssein aber wiederum extrem konsistent ist. Natürlich ist das Rückgrat dieser Formation bekanntermaßen Bassist extraordinaire Les Claypool, der legendärerweise mal bei METALLICA vorgespielt hat und nicht genommen wurde, weil er – offiziell lt. James Hetfield – zu gut war (auch wenn Claypool selbst verriet, dass dies wohl eher ans seiner Exzentrik lag). Als beispielhafter Bass-Virtuose hätte er der Yngwie Malmsteen der Tieftöner sein können. Stattdessen lebt er seine Weirdness seit 1984 mit seiner Formation hemmungslos aus, wenn er nicht gerade mit Sean Lennon kooperiert oder Titelmelodien zu South Park zum Besten gibt.
Tieftöner-Exzentrik mit Mainstream-Erfolg!
An seiner Seite operieren die ebenfalls virtuosen Mitmusiker Larry LaLonde und der kürzlich offenbar nun doch endgültig (vorbehaltlich Änderung) ausgeschiedene Schlagzeuger Tim Alexander. Alexander hält stets Schritt mit Claypools Exzentrik und schneidet praktisch jedem Song einen passenden, meist funkig ratternden Rhythmus auf den Leib, der je nach Situation entweder locker neben dem Bass her scharwenzelt oder straff gezogen groovt. Unterdessen verziert LaLonde die Songs mit einer Vielzahl kontrapunktischer Licks, die weniger vollmundig durchgebraten und mehr als Ornamentik im Sound verstanden werden können, da der Bass ja im Vordergrund steht. Das führt wie im obigen Zitat bereits erwähnt zu einigen richtig düsteren Klanglandschaften, die so richtig schön typisch nach Neunziger klingen.
Und besonders diese Düsternis sollte im hier zu besprechenden Drittwerk „Pork Soda“ vorläufig gipfeln, bei dessen Entstehung die Band offenbar durch das vorausgegangene Touren in einer vergleichsweise trübseligen Laune gewesen sei. Das spiegelt sich in einem Album wider, das im Vergleich zu den Vorgängern dichter und atmosphärischer gepackt ausgefallen ist bei gleichbleibender Schrulligkeit. In den Songs werden teilweise morbide Themen wie Mord und Suizid angesprochen zu der üblichen, lyrischen Quark, die man sonst so in PRIMUS-Alben vorfindet. Da darf auch mal wie in „DMV“ über Warteschlangen und Zahnarztbesuche geschimpft, in „The Air Is Getting Slippery“ allgemein spöttisch herumgenörgelt oder gar richtig planlos ausgeschweift werden wie im Titeltrack.
Ein Humpen „Pork Soda“ gefällig?
Was hat man sich aber unter einem Song dieser Band vorzustellen, wenn man noch nie damit in Kontakt gekommen ist? Nun, das von der Band intonierte Titellied zu South Park ist schon mal ein Indiz, es gibt durchaus Cartoon-artige Momente dank der zum Teil überspitzt schwofenden Rhythmik wie in „The Air Is Getting Slippery“ inklusive dem spöttischen, animierten Sprechgesang Claypools und kreativer Selbstzensur („I Don’t Give A Flying Forgive Me If I Hesitate“). Stilistisch bewegt sich das Trio irgendwo zwischen schrägen, möglicherweise leicht von Southern Rock beeinflussten Einsprengseln mit dezentem Hillbilly-Twang („The Ol‘ Diamondback Sturgeon“) hin zu funkigerem Experimental, der nie zu weit von KING CRIMSONs Post-Wetton-Phase entfernt wirkt, gerade dank LaLondes gerne mal frippiger Gitarrenornamentik (z. B. „DMV“).
Der Fokus liegt eindeutig bei dem vordergründigen Bass und der dadurch betonten Rhythmik, die mal etwas gemächlicher vor sich hin tuckert wie in „My Name Is Mud“ und „Mr. Krinkle“ oder mal etwas flotter nach vorne geht wie in „DMV“ oder „Hamburger Train“. Impulsive Breaks finden sich auch immer wieder, besonders sticht das blubbernde Bass-Feuerwerk hervor, das Claypool im Mittelteil von „Nature Boy“ abbrennt. Der Gesangsstil Claypools bewegt sich praktisch fließend zwischen animiertem Sprechgesang und fast neurotischen Intonationen, die in „Bob“ oder „The Pressman“ beispielsweise besonders prägnant eingesetzt werden.
PRIMUS sucks!
Der Sound des Trios ist weißgott nicht eingängig und ein Acquired Taste. Diese Phrase soll übrigens die Nomenklatur dieses Drittlings beeinflusst haben, Claypool soll seinen Sound mit dem Geschmack einer Limo aus Fleisch verglichen haben, was wiederum zum Albumtitel „Pork Soda“ geführt habe. Das dritte, von zeitgemäßen Kritikern oftmals im Schatten des rockigeren Vorgängers „Sailing The Seas Of Cheese“ betrachtete Album ist rückblickend doch gut gealtert durch seine dichtere Stimmung und etwas experimentelleren Natur, die das Album natürlich nicht gerade zugänglich, dessen Genuss nach Durchdringen der initialen Sperrigkeit aber doch umso befriedigender macht. Da kann man eigentlich nicht viel mehr als in die ironischen „PRIMUS sucks“-Rufe mit einstimmen und sich ein Glas Schinkenlimonade gönnen.
Kommentare
Sag Deine Meinung!