Hatte George Orwell recht? Ist der Überwachungsstaat Wirklichkeit? Versteckt sich der große Bruder heute in sozialen Netzwerken, in einer virtuellen Welt, die immer mehr Menschen sozial und geistig verarmen lässt? Ist der gläserne Mensch schon Realität? Die Bayern POWERWORLD sagen der beängstigenden digitalen Demenz und der zunehmenden sozialen Verwahrlosung den Kampf an. Schon der Albumtitel weist darauf hin – „Cybersteria „, eine Wortschöpfung aus „Cyber“ und „Hysteria“, beschreibt treffend den Wahnsinn digitaler Pseudorealitäten.
Bandchef Ilker Ersin hatte wirklich alle Hände voll zu tun, die Band neu zu formieren. Nach Andrew McDermotts Tod im August 2011 war zunächst David Reece (ex-ACCEPT) für den Gesangsposten im Gespräch. Allerdings hielt dieses Zusammenspiel nicht lange, für „Cybersteria“ konnte man Michael Bormann (ex-JADED HEART, ex-BONFIRE) verpflichten, der auch schon live bei den Bayern ausgeholfen hat. Ihrem Stil sind POWERWORLD aber weitgehend treu geblieben. Melodischer Power Metal mit epischen Refrains und einladenden Soli bildet immer noch das Grundgerüst, allerdings macht das Quintett auch Ausflüge in Richtung Hard Rock („Slave To The Powerworld“), „Like A Shadow“ glänzt mit Blues Rock-Einflüssen. Die Keys werden erfreulicherweise dezent eingesetzt, geben sich aber – ganz dem Thema entsprechend – überwiegend modern. Verspielte Ideen geben dem Album zusätzlich Würze: Das schon fast sphärisch anmutende Keyboardintro „Am I Digital“ beispielsweise, auch die orientalischen Klänge am Anfang von „Black Ash“ sind sind eine echte Überraschung. Michael Bormann fügt sich wunderbar ein, meistert auch die balladesken Momente in „Coast of Tears“ hervorragend und klingt einfach passend rauh und kraftvoll.
Mit ihrem neuesten Werk schrammen POWERWORLD nur ganz knapp an der klaren Kaufempfehlung vorbei. Denn hin und wieder beschleicht mich das Gefühl, dass einige Songs einen Tick zu lang sind für die darin verarbeiteten Ideen. Das Prädikat „Lückenfüller“ trifft sicher nicht zu, aber ein etwas strafferes Programm hätte der Scheibe gutgetan. Auch der Sound klingt etwas steril für meinen Geschmack, gerade in Bezug auf das Thema hätte mir eine etwas weniger glatt gebügelte Produktion besser gefallen. Und dennoch: Wer Power Metal mit Köpfchen sucht, sollte um „Cybersteria“ keinen Bogen machen, sondern unbedingt antesten.
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