Auf PORTRAIT ist Verlass. Die Schweden benötigen zwar pro Album immer eine halbe Ewigkeit, was aber im Grunde egal ist. Denn jedes Mal kommt ein Stück qualitätsbewusster, hoch origineller, dunkler Heavy Metal heraus, das so gekonnt geschmiedet ist, dass es sich während der Wartezeit zum nächsten Album unmöglich entschärfen kann. “At One With None” macht im Jahre 2021 keine Ausnahme und überzeugt ohne Abstriche. Auch wenn PORTRAIT das Offensichtliche vermeiden und sich sozusagen nach vorn und zur Seite weiterentwickelt haben.
“At One With None” – Vieles neu, aber zu hundert Prozent PORTRAIT
Bereits der titelgebende Opener zwingt dazu, sich an ein etwas neueres Klangbild zu gewöhnen. Die Gitarren sind im Vergleich mit den Vorgängern ein gutes Stück entzerrt, dafür mit reichlich Chorus-Effekt ausstaffiert. Auch die Drums peitschen weniger angriffslustig um sich. Statt wie seinerzeit mit “Burn The World” oder “At The Ghost Gate” furios nach vorn zu starten, beginnt “At One With None” verhalten und getragen. Der fast achtminütige Song wartet jedoch mit vielen Überraschungen und Wendungen auf. Man benötigt viele Durchläufe, bis man ansatzweise das Gefühl hat, das Stück zu kennen. Dennoch dürstet es sofort nach mehr von diesem Stoff und es ist klar: So können nur PORTRAIT schreiben.
Das beweisen sie auf “At One With None” ein ums andere Mal sowohl durch die Stücke, auf denen sie neues Terrain betreten als auch mit den Songs, die im einigermaßen typischen PORTRAIT-Stil gehalten sind. So besticht das neunminütige “Ashen” durch unwiderstehliche Galopp-Riffs und einen ausufernden Mittelteil, der sogar DESTRÖYER 666 offensichtlich, aber charmant zitiert. “Phantom Fathomer” schreitet stoisch voran und ist von der Stimmung her am ehesten noch mit “Martyrs” vom Vorgänger vergleichbar, jedoch mit deutlich anderem Ansatz. Das vorab bereits veröffentlichte “Curtains (The Dumb Supper)” gibt sich die ganze Zeit über unterschwellig bedrohlich und belegt, dass PORTRAIT durchaus düsterer sein können als so manche Black-Metal-Band. Mit seiner markanten, sirenenartigen Stimme thront Per Lengstedt über den abermals erhabenen Gitarren und führt selbstsicher und charismatisch durch die Songs.
PORTRAIT: Nicht wegzudenken aus dem Genre-Kanon
In den verhältnismäßig traditionelleren Stücken, wie dem mit wunderschönen Twin-Leads veredelten Geschwindigkeitsdämon “Shadowless” oder dem mit einem schier wahnsinnigen Hauptriff beginnenden “A Murder Of Crows” überzeugen die schneidenden Gitarren und treibenden Drums wie auf allen bisherigen Alben der Band. Dennoch muss PORTRAIT zugestanden werden, dass sie ihrem Anspruch, sich nie zu wiederholen, vollauf gerecht werden. Selbstzitate finden auch auf Album Nummer fünf nicht statt. Dabei ist es nicht mehr wichtig, dass die Wartezeit zwischen zwei Alben der Schweden meist relativ lang ist. Die kompositorische Detailarbeit ist einer der Gründe, weshalb PORTRAIT unter allen aktuellen klassischen Heavy-Metal-Bands herausstechen.
Somit beschließt das dramatische “The Gallow’s Crossing” ein fabelhaftes Album. PORTRAIT beweisen auf “At One With None” zum wiederholten Mal, dass man Heavy Metal mit sämtlichen altbewährten Zutaten spielen und trotzdem kreativ um Quantensprünge voranbringen kann. Dass hier trotz aller Euphorie “nur” acht Punkte stehen, ist der Tatsache zu verdanken, dass die Hitdichte auf “Burn The World” minimal größer war. Dafür ist “At One With None” das mutigere Album; Tendenz steigt also. Ein Pflichtkauf ist es sowieso.
So, die Scheibe hat sich jetzt seit dem Tag ihres Erscheinens etliche Male in meinem Player gedreht. Ich bin begeistert. So muss Heavy Metal klingen! Volle Punktzahl!