POLY-MATH – zwischen Noise und Kunst
POLY-MATH aus Brighton liefern mit „Melencolia“ ihre neues Mini-Album ab, das der EP „Reptiles“ von 2015 quasi auf dem Fuße folgt. Darauf gibt es experimentellen, frickeligen Prog-Rock mit Noise-Schlagseite und vereinzelten Verweisen in Richtung Post- und Math-Rock zu hören. Das Ganze wird instrumental dargeboten und hat eine schön ruppige Produktion auf den Leib geschneidert bekommen. Die Gitarren klingen richtig dreckig, wie frisch durch den Schmutz gezogen, der Bass pumpt ordentlich und das Schlagzeug knallt ohne Ende – hier passt alles wunderbar zusammen.
In 36 Minuten jagen POLY-MATH ihre Hörer durch eine Vielfalt an Stimmungen: mal gemäß dem Titel melancholisch, mal jubilierend, mal aggressiv. Dabei gibt sich das Trio ähnlich undurchsichtig wie der große, deutsche Renaissance-Künstler Albrecht Dürer, nach dessen Meisterstich „Melencolia I“ dieses Album auch benannt ist.
Und die Querverweise in Richtung Dürer hören dort nicht auf. So ist auch das abschließende „Temptation Of The Idler“ nach dem englischen Namen des Stichs „Der Traum des Doktors“ benannt, während POLY-MATH im Quasi-Titeltrack „Melancholia I“ sowie in „Temptation“ ganz Post-Rock-typisch Sprachsamples einspielen. Diese wiederum beinhalten Bildbeschreibungen diverser Werke Dürers und sind in deutscher (!) Sprache gehalten.
Wie das alles zusammenhängt, ob man „Melencolia“ als Bildbeschreibung von Dürers gleichnamigem Stich, als ein von ebendiesem Werk inspiriertes Mini-Album oder als eine völlig eigenständige Erfahrung ansieht, liegt – wie so oft bei der Kunst – beim Rezipienten. Musikalisch jedenfalls ist POLY-MATH ein herausragendes Werk gelungen, das in diversen Genres wildert und die erbeuteten Einflüsse zu einem einheitlichen Gemälde zusammenfügt.
Zwischen ruhigen, getragenen Momenten und heftigen, dissonanten Ausbrüchen bewegen sich die Briten traumwandlerisch durch die Songs, ohne sich zu sehr in lieblosem Gefummel zu verlieren.
Und das beste: Zu keiner Zeit vermisst man bei POLY-MATH den Gesang, da „Melencolia“ selbst ohne das entsprechende Hintergrundwissen sehr unterhaltsam ist. Manchmal sagt ein Instrumental-Album eben doch mehr aus als tausend Worte, die in ein Mikrofon gesungen, gesprochen, gehaucht, geflüstert, gerülpst oder gebrüllt werden.
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