Polis - Weltklang

Review

POLIS greifen mit ihrem dritten Studioalbum geschickt den Klang der Siebziger auf. Von heulenden Synthesizern, bis hin zu geschickt Riffs. In einem umgebauten DDR-Fabrikgebäude nahm die Magie ihren Lauf. Dort machten die Sachsener musikalisch einige Fortschritte gegenüber ihren vorherigen Alben. Dabei harmonieren deutsche Lyrik und moderner Progressive Rock besser als zunächst angenommen.

POLIS zerstören und bauen auf

Polis werfen den Hörer mit “Tropfen“ direkt ins Geschehen und schaffen einen variationsreichen Einstieg mit klanglich überzeugenden Gitarren, Drums und begleitenden Synthesizern. Schon hier wird klar, dass “Weltklang” einen thematischen Spagat zwischen Emotionen und persönlicher Progression hinlegt.

Lyrisch machen einige Songs Entwicklungen durch, weshalb diese teils inhaltliche Überschneidungen finden. Zum Beispiel gibt sich “Tropfen“ erst ziemlich melancholisch, bis ein Break eintrifft. Eine kindliche Stimme hinterfragt unsere Ängste, nur um dann wieder neuen Mut zu fassen.

Solche Passagen sind oft auffindbar und meist begleitend von einer passenden klanglichen Untermalung. Jedoch hinkt die Lyrik in ihrer Reimtechnik, wodurch der Fluss der Musik manchmal nachlässt. Reime wie “Meer, leer, schwer, mehr“ und “Klein, sein, still, will“ überzeugen kaum. Ansonsten erkunden wir nochmals den Baukasten des Deutschunterrichts und werden zugedeckt mit Paar- Kreuz- und umarmenden Reimen.

Doch davon abgesehen ist “Weltklang” sehr komplex und deutet mit seinem Finger direkt auf das menschliche Herz. Der romantisch-düstere Einspieler “Abendlied“ fügt sich durch einfühlsame Pianoklänge nahtlos ins Album ein und hinterlässt eine religiöse Note. Doch darauf sollte man POLIS nicht festnageln, denn ihr Merkmal ist die Gestaltung des eigenen Geistes, auch ohne die Kirche.

Der Hörer wird praktisch aufgefordert, sein handeln zu überdenken. Das geschieht jedoch auf einer emotionalen Basis und ohne einen konkreten Sachverhalt.“Sehnsucht“ greift mit der Textstelle “Ein Tropfen aus der Flut des Meeres“ nochmals den Introsong auf. Nun beschreibt sie aber die Begierde nach Zweisamkeit im großen Meer des Seins. Interpretationsmöglichkeiten sind eine Menge gegeben und leiten in verschiedene Richtungen.

Der Klang der Welt auf “Weltklang”

POLIS haben einen klaren und anspruchsvollen Sound. “Gedanken“ erinnert anfangs an KING CRIMSON und greift in der zweiten Songhälfte Elemente von PORCUPINE TREE auf. Es wirkt wie eine sehr gelungene Kombinationen aus dem Progressive Rock der Siebziger und dem der heutigen Zeit.

Durch regelmäßige Verschnaufpausen und Instrumentalpassagen halten POLIS die Spannung aufrecht. Dadurch kommt wenig Langeweile auf. Die Abschlüsse der Songs sind sehr intelligent gestaltet und münden häufig in melodischen Finalen. “Mantra“ hat sogar teilweise einen experimentellen Charakter, bleibt sich in seiner Struktur jedoch treu. Lediglich “Gebet” wirkt als überflüssiges Zwischenspiel kaum nach, fällt aber durch den gelungen Übergang kaum auf.

Pures Chaos, wie bei anderen Vertretern des Genres, ist nur vereinzelt vorhanden. Wenn jedoch “Leben“ zum Schluss hin seine imposanten Riffs zeigt, endet das nicht in Willkür, denn die Band nimmt ihren Sound problemlos wieder auf. Die Spitze des Eisbergs erreichen POLIS jedoch mit “Sehnsucht“. Die Drums treiben an und diverse Breaks mit melodischem Gitarrensound machen ihrem Genre alle Ehren und bringen psychedelische Elemente mit ein.

Also…

POLIS liefern mit “Weltklang” ein musikalisch und technisch anspruchsvolles Album ab. Es greift einen modernen Zeitgeist auf, der jedoch eine zeitlose Thematik besitzt. Die Band geht klangliche Wagnisse ein und alles wirkt sehr präzise durchdacht, auch wenn die Lyrik spannender sein könnte. Darüber kann man jedoch getrost hinwegsehen, denn eigentlich möchten POLIS einfach unseren Geist aufrütteln und das schaffen sie.

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24.04.2020

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