Pixie Ninja - Colours Out Of Space

Review

Der markante Blick von H. P. Lovecraft lugt aus dem Zentrum des Coverartworks von „Colours Out Of Space“ gen Betrachter – da kann man als Metalhead doch einfach nicht „Nein“ sagen! Lovecraft ist ja ein beliebtes Thema im Metal, unabhängig davon, ob Bands nun versuchen, den kosmischen Horror einzufangen oder einfach nur von Cthulu und Co. zu schwärmen. Ebenso vielfältig sind oft die qualitativen Ergebnisse, die gerne im extremeren Metal gehalten sind. Wie geht also eine Band wie PIXIE NINJA mit der Materie um, die mehr im instrumentalen Retro-Prog mit elektronisch-experimenteller Note angesiedelt ist? Ein Sound übrigens, den die mit ÄNGLAGÅRD-DNA versehene Band passend als „Neu Prog“ bezeichnet.

Das musikalische Kaleidoskop von PIXIE NINJA

Die Antwort ist ein klarer Fall von „Weder noch“, wie sich herausstellt. Statt den Horror in der ein oder anderen Weise zu porträtieren, wählt die norwegisch-schwedische Kombi ihren eigenen, etwas verschrobenen Weg, um die ikonische Thematik in den Sound zu holen, jedoch ohne sich in den typischen Klischees von extremen Dissonanzen oder Okkultismus zu verfangen. Dadurch nehmen sie zwar billigend in Kauf, dass die Bearbeitung des Quellenmaterials bei ihnen nicht ganz dem gehobenen Horror-Standard entspricht, verleihen ihrer Musik aber die nötige kompositorische Tiefe, um auch unabhängig auf eigenen Beinen stehen zu können. Platz für verstörende Details haben sie dennoch gefunden. In gewisser Weise ist der Grusel schon da, kommt aber eher beiläufig.

Die eröffnenden Töne platzieren „Colours Out Of Space“ am Ausgangspunkt des Vorgängers „Ultrasound“. PIXIE NINJA arbeiten in ihren Rock weiterhin fleißig perlende Elektro-Sounds und Ambient-Elemente sowie ein breit aufgestelltes Non-Rock-Instrumentarium á la ELECTRIC ORANGE ein, was sich konsequent durch das Album zieht. Die Vermischung dieser Elemente mit der Rock-Komponente gerät bei den Skandinaviern indes noch etwas homogener und vielschichtiger, sodass sich „Colours“ geschlossener anfühlt als „Ultrasound“, das ja mehr wie eine Werkschau daher kam. Fließende Übergänge haben sie in das neue Album zwar noch nicht eingebaut, aber die Tracks sind in Sachen Stimmung so konsistent und dicht gehalten, dass dies praktisch kaum ins Gewicht fällt.

„Colours Out Of Space“ setzt bei „Ultrasound“ an

Apropos Stimmung: „Colours“ macht auch recht zügig klar, dass die Musik der Materie entsprechend etwas düsterer daher kommt. Klänge aus diversen Instrumenten wie die Ondes Martenot (RADIOHEAD lassen grüßen), Glockenspiel sowie dem klassischen Moog-Snythesizer und dem obligatorischen Mellotron erzeugen teils bizarre Vibes. Auch hat man immer wieder das Gefühl, als würde man hier beim Musikhören Signale aus dem Weltall empfangen, da stets etwas piept, klingelt oder aufjault. „You just crossed over into The Zwilight Zone“, tatsächlich macht „CosmiK“ genau hierzu eine Anspielung. Dazu gesellt sich eine subtile Noise-Note, mit der die Band auch mal ordentlich Verzerrung auf ihre Kompositionen aufträgt, als würde ein Störsender dezent dazwischen funken.

Doch jenseits aller Effekthascherei stecken hinter „Colours Out Of Space“ packende, abwechslungsreiche wenngleich größtenteils wortlos vorgetragene Songs, die einerseits sehr dicht gepackt sind und einen Haufen Musikalität effizient bündeln. Doch die Gefahr von überfrachteten Kompositionen umschifft die nordische Kombination dank des stringenten, aufgeräumten Songwritings. Wie auch sein Vorgänger hat „Colours“ dabei einen sensationellen, raumgreifenden Sound auf den Leib geschneidert bekommen, der die Kompositionen warm klingen lässt und ihnen eine enorme, fast körperlich spürbare Größe verleiht, zugleich aber auch sämtliche, kleine Details im Hintergrund gut in das Klanggeflecht einarbeitet.

Kosmische Farben, kosmische Magie

Der eröffnende Titeltrack setzt dahingehend direkt mindestens ein Ausrufezeichen. Die fantasievollen Melodien, die vor allem in den ruhigen Passagen eingestreut werden (man höre nur das Ende des Tracks!), strahlen eine wunderbar wohlige Wärme aus, während die drückenderen bzw. nervöseren Beats und Percussions nebst ominöser Synth- und Gitarrenlayer richtig schön in der Magengrube wühlen. Das abschließende „Strange Days“ fokussiert sich mehr auf die ruhigere Seite des Sounds und wird als solches im ersten Part von einem in Moll getauchten Klavier dominiert, während unter die Haut gehende Mellotron-Streicher diese Rolle im zweiten Teil übernehmen. Auch hier leistet der Sound ganze Arbeit, um dem Track von vorn bis hinten Leben einzuhauchen.

„Leng Plateau“ rockt zunächst im Sinne früher ÄNGLAGÅRD drauf los und klingt bisweilen so, als wollten PIXIE NINJA eine mehrfach in sich verschlungene, spacig-krautige Variation des LONG DISTANCE CALLING-Sounds abbilden, die vor allem im Mittelteil richtig schön pulsiert. Der oben erwähnte Trick mit der Distortion ist hier u. a. im Aktion zu bewundern. Und ein 56k-Modem rödelt mal kurz dazwischen. Besonders dramatisch tragen PIXIE NINJA bei „Hutchinson Cipher“ auf, das mehre heavy rockende Motive miteinander verknüpft und den Hörer auf eine Berg- und Talfahrt einlädt, zwischen atonal bratender Riffattacken und beinahe Shoegaze-artiger Landschaftsmalerei.

PIXIE NINJA sind auf dem goldrichtigen Weg

Aber das sind alles nur oberflächliche Details. Unter der Oberfläche von „Colours Out Of Space“ steckt so viel mehr, zwischen dezent perkussivem Industrial-Gezirpe und H E X-artigen Wall Of Sounds, von elektronischen Beats und Synth-Layern über Samples und zum Teil dreckig schürfenden Gitarren hin zu gelegentlich im Hintergrund auftauchenden Spoken Word-Passagen, die von diversen Gastsängern beigesteuert worden sind. Das Album funktioniert dank dieser Details auf vielen Ebenen und geht vor allem dank seiner gefühlt zahllosen Unterschwelligkeiten an die Nieren – im besten Sinne der Worte. Es findet ständig einen neuen Weg, um unter die Haut zu gehen und einen wohligen Schauer über den Rücken des Hörers zu jagen.

PIXIE NINJA laden ihrer Hörer in diesen wunderbaren Kaninchenbau ein, dessen Gänge zwischen organischem Rock und elektronischer Ornamentik teilweise gänzlich verschwimmen. Dass die Nordmänner trotz der offenkundig vorherrschenden Thematik dabei nicht die gemeingültige Lovecraft-Etikette einhalten, ist verschmerzbar, ebenso die Tatsache, dass sich die besagte Verschmelzung trotz hervorragender Durchführung so anfühlt, als ob da immer noch ein bisschen Luft nach oben ist. Aber „Colours Out Of Space“ ist so ein vielschichtiges, packendes Album, dass man schnell über diese vermeintlichen Makel hinweg kommt. Das Magnum Opus steht also noch aus, doch mit „Colours“ sind die Herren verdammt nah dran.

25.06.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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2 Kommentare zu Pixie Ninja - Colours Out Of Space

  1. Schraluk sagt:

    Grandios vertontes Kopfkino.

    9/10
  2. ZynnZementzaun sagt:

    Nach den ersten beiden Tracks dachte ich mir: Woaahh, ein Meisterwerk! Dann lässt es etwas nach aber bleibt gut.
    Colours Out Of Space (Track 1) erinnert mich an die alten Trip Hop Sachen mit etwas 8bit und einigen geilen Noise-Ausbrüchen. Leng Plateau (Track 2) ist ein sehr beeindruckender Noise/Industrial Crossover. CosmiK (Track 3) ist auch gut, Hutchinson Cipher (Track 4) ist mir jedoch etwas zu chaotisch. Außerdem fällt hier dann doch auf, dass das ganze Album letztlich auf dem gleichen musikalischen Thema beruht. Strange Days (Track 5) kann man als langes Klavier/Synthie-Outro begreifen und klingt ein wenig nach den frühen Pink Floyd, ist aber auch etwas einseitig.

    Perfektes Album für eine lange nächtliche Zugfahrt. Und ‚Colours Out Of Space‘ und ‚Leng Plateau‘ würde ich gerne mal in einer Untergrund-Disse hören.

    9/10