Pin-Up Went Down - 2 Unlimited

Review

Holy Shit! Beim ersten Hördurchgang kann den unvorbereiteten Zuhörer der krude Stilmix dieser Band leicht überrollen. Das Label-Info spricht von Goth-Extrem-Metal-Prog-Cabaret und trifft mit diesem – zugegebenermaßen reichlich sperrigen – Begriff den Nagel ziemlich gut auf den Kopf. Ein bisschen Electro ist zwar auch noch mit drinnen, aber so kleinlich wollen wir da mal nicht sein.
Der Stilmix klingt auch tatsächlich so gruselig wie es die Beschreibung vermuten lässt und das ist seine große Stärke. Solch psychotische Klang-Konstrukte kann ein gesunder Verstand nur schwer begreifen, um sie zu schaffen braucht man wohl mehr als nur einen leichten Dachschaden. Entsprechend eingeschränkt präsentiert sich die Zielgruppe dieser Art von Musik. Probehören vor dem Kauf ist unbedingt zu empfehlen!

PIN-UP WENT DOWN stammen aus Frankreich und sind ein Zwei-Mensch-Projekt des ehemaligen CARNIVAL IN COAL-Drummers Alexis Damien und der PENUMBRA-Sängerin Asphodel. Letztere verzichtete bei den angeblich auf „jegliche technische Studio-Trickserei“, was angesichts des extrem vielseitigen Gesangs nur schwer zu glauben ist. Zwischen dem brüchigen Kindergesang einer Zehnjährigen, die gerade herausgefunden hat, was Mama und Papa nachts in ihrem nicht ganz so stillen Kämmerlein mit Peitsche und Handschellen treiben, und einer Rockröhre im Stile von EVANESCENCE-Frontluder Amy Lee. Stellenweise gesellt sich auch zuckersüßer Pop-Sopran hinzu, genauso oft wird aber auch auf eine schrille Helium-Kopfstimme oder Donald-Duck-Gequake zurückgegriffen.
Neben der Varianz ist auch die Qualität von Asphodels Gesang beeindruckend. Schräge Zwischentöne, die durch Mark und Bein gehen, werden mit Bedacht und absichtsvoll eingesetzt, um Stimmung und Atmosphäre zu unterstreichen. Weniger stark sind hingegen die männlichen Grunz- und Brüll-Vocals ausgefallen, die sich meist eher störend bemerkbar machen.

Musikalisch mixt man so viele unterschiedliche Elemente zusammen, dass auch nach gründlichem Verrühren noch keine wirklich homogene Masse entstanden ist. Zwar wurden die teilweise gegensätzlichen Songparts nicht völlig willkürlich zusammengesetzt, harmonisch geht aber definitiv anders. Vielleicht hat man es hier mit den Verrücktheiten ein wenig übertrieben. Auch die Songtexte, die überwiegend den dunklen, feuchten Träumen einer Klischee-Gothic-Lady zu entstammen scheinen, wirken fragmentarisch. Bezeichnenderweise ist die SM-lastige Porno-Hymne „Pussy Worship“ noch am deutlichsten ausgefallen, der Rest behandelt romantische Tier-Verstümmelungen, misanthropischen Weltanschauungsunterricht und ähnlich verworren-kranke Gedankenkonstrukte. Wenigstens ist man konsequent und setzt hier die sicke musikalische Linie fort.

„2 Unlimited“ macht es dem Zuhörer nicht leicht, einen Zugang zu finden und wirkt insgesamt sehr zerfahren und verworren. Das hat seinen Reiz und die völlige Grenzenlosigkeit, die hier zelebriert wird, verdient durchaus Respekt. Wenn man aber mit Songs im Gedächtnis der Zuhörer hängenbleiben will und mehr als nur ein amüsiertes Grinsen oder unverständiges Kopfschütteln hervorrufen will, sollte man den Sicko-Faktor vielleicht zukünftig doch eine Spur zurücknehmen und mehr Wert auf eine klare Linie legen, die der geneigte Zuhörer nachvollziehen kann. Mir ist das Ganze letzten Endes ein wenig „too unlimited“…

07.04.2008
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