So langsam macht James Kent ernst: Mit „New Model“ legt der Franzose mit seinem Projekt PERTURBATOR ein Album auf, das sich ordentlich gewaschen hat. Und zwar nicht in einem derzeit dominierenden, pinken Retro-1980er Look, sondern in einer öligen Brühe aus Dark Techno, EBM und Wave, die ganz herrlich nach der finstersten Dystopie riecht, die man sich so ausmalen kann.
Kein Neon mehr auf „New Model“
Das ist schon ziemlich hartes Zeug, das PERTURBATOR da erzeugt. Auch wenn „New Model“ natürlich mit Metal im eigentlichen Sinne nichts zu tun hat. Aber nehmen wir einen Moment folgende Prämisse an: Düster, verstörend und nihilistisch kann man auch mit einer Instrumentierung sein, die nicht aus dem klassischen Bandkonzept von Gitarre, Bass und Schlagzeug besteht. Einverstanden? Dann weiterlesen. Dass PERTURBATOR der Metal-Szene nahesteht, beweist mithin sowohl das von ihm gewählte Label Blood Music, seine Vergangenheit als Black Metal-Gitarrist und Auftritte auf unbestritten metallischen Festivals wie Roadburn und Hellfest. Mit „New Model“ erweitert PERTURBATOR sein Spektrum nun auf der dunklen Seite der Macht: War „Dangerous Days“ eher dem bunten, neon-getränkten Sci-Fi gewidmet, zog es „The Uncanny Valley“ bereits in eine ernsthaftere, nicht so grell-cyberpunkige Richtung. „New Model“ geht nun noch einen Schritt weiter.
Harte Beats und harte Breaks
Geht der Opener „Birth Of The New Model“ noch recht geschmeidig mit ein bisschen „Blade Runner“- Synthie ins Ohr, wird’s ab der Mitte von „Tactical Precision Disarray“ richtig ungemütlich. Hier hämmern die Beats so heftig, dass es auch dem letzten Replikanten die Schaltkreise aus der Steuerungseinheit haut. Das folgende „Vantablack“ ist dann auch die erste Nummer, zu der PERTURBATOR einen richtigen Gesang hinzuzieht. Ob es diesen gebraucht hätte sei einmal dahingestellt, denn eigentlich tut der menschliche Gesang nichts für den Song – stört aber auch nicht wesentlich. Bei „Tainted Empire“ geht die berühmt-berüchtigte Lutzi (oder in diesem Fall eher: Lucy) dann so richtig ab: Was vorher noch als ambienthafte Untermalung durchgegangen ist, wandelt sich schlagartig in harte Beats und noch härtere Breaks – die Grenze in Richtung Dark Techno wird zunehmend eingerissen und neu gesteckt. Allerdings widersteht PERTURBATOR der Versuchung seine Wirkung aus der repetitiven Wiederholung seiner Motive zu ziehen. Hier wird fleißig das Tempo gewechselt, elegant tanzbar wären alle sechs Titel auf „New Model“ ganz sicher nicht – Progressive Dark Electro könnte also eine passende Umschreibung des Gebotenen sein. Während „Corrupted By Design“ anschließend wieder in ruhigere Gewässer zurückkehrt, zieht das finale „God Complex“ dann nochmal alle Register: Schöne Tempowechsel, ein angenehmer Vorgeschmack auf die kommenden Werke von PERTURBATOR.
Palmen und Sportwagen – nicht mit PERTURBATOR
Der Hörerschaft wird hier natürlich kein palmengesäumter Strand, kein sonnengtränktes Miami-Feeling und auch kein wohliger 1980er-Jahre Knight Rider-Faktor geboten, wie dies von vielen Projekten der Synthwave-Welle derzeit gefällig unters Publikum geschleudert wird. PERTURBATOR wiederholen sich selbst mit dem neuen Album nicht, geboten wird vielmehr eine Leistung, mit der sich derzeit wohl nur CARPENTER BRUT messen können: Es gelingt eine angenehme Mischung aus bekannten Trademarks und neuen Enflüssen, „alte“ Fans und Neueinsteiger werden sich auf „New Model“ gleichermaßen aufgehoben fühlen. Obwohl der „offizielle“ Releasezeitpunkt von „New Model“ noch nicht erreicht ist, ist das Material bereits jetzt anzuhören: Die digitalen Plattformen – von Spotify bis ITunes – wurden bereits mit dem Album ausgestattet. Vor dem Hintergrund der anstehenden US-Tour von PERTURBATOR wollte Mr. Kent dem Publikum bereits neues Material vorstellen. Physische Exemplare von „New Model“ werden erst ab dem 20. Oktober 2017 verfügbar sein – oder auf eben jener US-Tour des französischen Künstlers.
Letztlich bleibt festzustellen: Wenn das allmächtige Computer-Netzwerk Skynet selbst Musik hören würde, dann wahrscheinlich „New Model“. Die neue EP von PERTURBATOR zeigt eindrucksvoll, warum James Kent zu Recht zur Spitze der Synthwave-Bewegung gehört.
Für mich mit das beste Material von Perturbator und ich war anfangs sehr skeptisch.