Pensées Nocturnes - Grotesque

Review

Vor beinahe genau einem Jahr ist „Vacuum“, das Debüt von PENSÉES NOCTURNES, ziemlich unter die Räder gekommen. Nun wird also mir das Vergnügen zuteil, mich in der Welt des Alleinunterhalters Vaerohn zurecht zu finden. „Grotesque“, so der Titel, ist genau das, was es aussagt, ein groteskes musikalisches Gebilde, das einem ziemlich zusetzen kann, wenn man nicht aufpasst.

Eine Weiterentwicklung scheint es aber gegeben zu haben, denn PENSÉES NOCTURNES klingt nicht mehr nach Depri meets Klassik, sondern vermehrt nach dem krampfhaften Versuch, möglichst avantgardistisch aufzutreten. Dabei verwendet Vaerohn wieder einmal eine ganze Reihe von Instrumenten, die sich mal mehr, mal weniger gut mit dem schwarzmetallischen Gerüst seiner Ideen vertragen. Denn Streicher und ein leicht orchestraler Hauch mögen noch funktionieren, doch das teils bombastisch Aufgefahrene wirkt gegen den doch relativ durchschnittlichen Schwarzmetall reichlich überzogen. Leider verpasst es Vaerohn, die guten, sehr stimmungsvollen Parts zu nutzen, um den Hörer mal ein paar Sekündchen des Genießens zu gönnen, sondern muss ihn binnen Sekunden wieder mit vertracktem Riffing völlig verstören – zum Glück ergeht es auch den öden oder nervtötenden Einzelteilen der Stücke nicht viel anders.

„Grotesque“ ist beinahe wie ein Pendel, von schlichter Langeweile bis hin zu verstörendem Chaos fährt Vaerhon möglichst alle Ideen auf, die sein durchaus kreatives Hirn bereithält. Es ist müßig, einen roten Faden auf dem Zweitwerk zu suchen, da tauchen plötzlich Bläser auf, da gibt es quietschend melodische Eskapaden, Orgel und die Vocals, die sich recht „gut“ dem Treiben anpassen. So erklingen sie mal mittelmäßig keifend, mal jammernd und dann wieder beinahe klar, aber nie besonders eindringlich. Den Höhepunkt liefert mir aber das Ende von „Monosis“, das nach einer deftigen Black-Metal-Attacke mit einem Akkordeon (?) in die französischen Hafenkneipen führt und dabei so deplaziert wirkt, dass mir langsam aber sicher auch der letzte Rest Geduld abgeht.

Avantgarde kann eine richtig feine Sache sein, und mal ehrlich, es gibt Künstler, die schaffen es, chaotische, teil dissonante oder auch groteske Musik zu erschaffen, dabei aber wirklich gleichzeitig begeisternd und mitreißend zu sein. PENSÉES NOCTURNES ist aber vor allem eins: Anstrengend! Nicht schlecht oder ideenlos, sondern voll von wirren Gedankengängen, unpassenden musikalischen Ausflügen und oft genug sehr erzwungener Abwechslung. Es ist schade, denn „Grotesque“ hätte mit ein bisschen genauerer Betrachtung und Überarbeitung tatsächlich zu einer Art musikalischem Theaterstück heranwachsen können, dem der ab und zu eingespielte Applaus (noch so ein nerviges Detail) sogar gerecht worden wäre. So schäumt das zweite Album von PENSÉES NOCTURNES aber vor unausgegorenen Ideen über und schafft es, mich vollkommen zu überfordern.

09.05.2010

Chefredakteur

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