Bartłomiej „Bart“ Krysiuk und seine Mannen tragen ihre Version von BATUSHKA zu Grabe und wagen als PATRIARKH eine Art Neuanfang. Dafür wurde es auch höchste Zeit, denn das allzu öffentliche Gerangel um die Namensrechte hat die Musik beider Inkarnationen der Band oftmals stark überschattet. Mit „ПРОРОК ИЛИЯ“ (lat. „PROROK ILJA“ oder „Prophet Ilja“) will man nun ein neues Kapitel aufschlagen.
PATRIARKH schlagen ein neues Kapitel auf
Oberflächlich betrachtet hat sich außer dem Namen erstmal gar nicht so viel verändert. PATRIARKH treten nach wie vor als finstere orthodoxe Priester in Erscheinung und auch die charakteristischen liturgischen Gesänge spielen weiterhin eine zentrale Rolle. Allerdings haben PATRIARKH ihr musikalisches Repertoire auch beträchtlich erweitert, womit ein stilistischer Kurswechsel einhergeht, welcher der Musik der Polen hörbar guttut und sie erstmals seit dem Split aus dem übermächtigen Schatten von „Litourgiya“ heraustreten lässt.
Die Emanzipation von PATRIARKH geschieht sowohl auf musikalischer als auch auf inhaltlicher Ebene, denn statt sich mit bestimmten Ritualen der slawisch-orthodoxen Kirche zu befassen, erzählt das Album die Geschichte des selbsternannten Propheten und Sektenführers Eliasz Klimowicz, der in den 1930ern und 40ern in Krysiuks Heimatregion Podlachien aktiv war.
Dieses folkloristische Konzept schlägt sich massiv in der Musik von PATRIARKH nieder, denn auf „ПРОРОК ИЛИЯ“ finden diverse traditionelle Instrumente wie die Drehleier, das Mandocello oder die Talharpa Einzug. Zu Black-Metal-Screams und tiefen Mönchsgesängen gesellt sich außerdem der für den slawischen Raum charakteristische weiße Gesang, der hier unter anderem von der Gesangslehrerin der Band Eliza Sacharczuk beigesteuert wird und den manche vielleicht aus dem Soundtrack zum Videospiel The Witcher 3: Wild Hunt kennen.
Sakrale Epik trifft auf düstere Folklore aus dem ländlichen Polen
Auch in Sachen Bombast wurden ein paar Schippen draufgelegt. Neben zahlreichen, in Polen teils überaus populären Gastmusikern (mehr dazu im Interview) haben PATRIARKH nämlich auch mit einem Symphonieorchester und Chören zusammengearbeitet. Diese verpassen Stücken wie „Wierszalin II“, das durch den prominenten Einsatz der Drehleier und opulente mehrstimmige Gesangsarrangements etwas an eine slawische Version von ELUVEITIE erinnert, oder dem gemessenen „Wierszalin III“ und „ПРОРОК ИЛИЯ“ allgemein ein ziemliches Breitwandformat.
Das metallische Fundament variiert weiterhin zwischen Black-Metal-Tremolo und schwerem Doom, mit einer gefühlten Tendenz zu letzterem, die aber vor allem der insgesamt sehr getragenen Stimmung der Musik geschuldet ist. Besonders „Wierszalin V“ und „Wierszalin VII“ sind nämlich immer noch mit jeder Menge schwarzem Pfeffer gewürzt, ohne dass dies der feierlichen Grundatmosphäre Abbruch täte. Und dass es auch ganz ohne metallisches Fundament geht, zeigen PATRIARKH mit dem rein akustischen, primär vom melancholischen, mehrstimmigen Gesang getragenen „Wierszalin VI“.
„ПРОРОК ИЛИЯ“ ist mehr Soundtrack als orthodoxe Messe
Durch immer wieder eingestreute Spoken-Word-Passagen, durch die symphonischen Arrangements und durch die Struktur des Albums, bei der das Augenmerk eher auf einer in sich geschlossenen Dramaturgie denn auf einzelnen herausstechenden Hits liegt, wirkt „ПРОРОК ИЛИЯ“ wie der Soundtrack zu einem düsteren, von religiöser Symbolik durchzogenen Historienfilm. Die Anmutung einer invertierten orthodoxen Messe, auf die beide Varianten von BATHUSHKA bis dahin abgezielt haben, rückt dagegen ein wenig in den Hintergrund.
Zugegeben, die zutiefst sinistre und gleichsam erhabene Atmosphäre von „Litourgiya“ können PATRIARKH nach wie vor nicht reproduzieren. Sie versuchen es diesmal aber auch gar nicht erst, sondern ziehen stattdessen konsequent ihr eigenes Ding durch. Im Vergleich zum durchwachsenen „Hospodi“, welches das Fehlen von Krzysztof Drabikowski mit einem vergleichsweise ordinären Black-Metal-Fundament kaum kaschieren konnte, ist „ПРОРОК ИЛИЯ“ daher ein regelrechter Befreiungsschlag. Von dieser neugewonnenen Eigenständigkeit profitieren letztlich sowohl die Band selbst als auch das Zielpublikum, denn die Geschichte des Propheten Ilja strotzt nur so vor Ideen und liebevollen Details, die es idealerweise am Stück und unterm Kopfhörer zu erkunden gilt.
Klingt interessant, das Album ist vorgemerkt.
’ne Spur zu theatralisch, aber das ist nur mein Geschmack. Vielleicht nervt mich low key auch nur das ganze religiöse Brimborium. Schlecht gemacht ist das nicht und dürfte ohne diese Punkte schon ansprechend sein.