Markus Reuter und Pat Mastelotto begannen mit den Arbeiten des nun erschienen Albums „FACE“ bereits vor neun Jahren. Das Album besteht nur aus einem Track, der sich über schlappe 35 Minuten erstreckt. Müde möchte man angesichts vergangener Leistungen wie etwa von INSOMNIUM oder MALADIE abwinken. Aber halt, wenn sich ein Projekt mit KING CRIMSON-Hintergrund an so etwas heranwagt, sollte man doch mal ein Ohr riskieren, zumal sich die Gästeliste mehr als sehen lassen kann. Immerhin tummelt sich unter diesen auch ein gewisser Steven Wilson. Also sollte man sich durchaus mal die Mühe machen, „FACE“ durchzuhören.
Und die Mühe sollte sich lohnen, denn „FACE“ merkt man die Zeit und Arbeit, die hinein geflossen sind, an allen Ecken und Enden an. Dabei klingt der Song erstaunlicherweise sehr straff, was man angesichts seiner Spielzeit gar nicht vermuten würde. Mastelotto und Reuter halten sich dankbarerweise nicht mit den heute üblichen, theatralischen Gesten auf. Stattdessen präsentieren sie ein konzises, musikalisches Kabinettstück mit Suchtpotential. In 35 Minuten schlängelt sich der Song durch verschiedenste Stimmungen und geht dabei keine Kompromisse ein. Das zeigt sich bereits in dem Moment, in dem man merkt, dass man oft die gleichen Noten und Melodien hört.
Reuter und Mastelotto hypnotisieren ihre Hörer
Aber genau hier wird es erst richtig spannend. Der Titel „FACE“ bezieht sich nämlich auf die Noten F, A, C und E. Und die bilden die Grundlage des Songs. Entsprechend erforschen die Musiker das Potential dieser Noten in den verschiedensten Variationen. Zumeist sind es seltsam maschinelle Rhythmen, die das Konstrukt zusammen halten. Mastelotto sorgt jedoch immer wieder mit trockenen Fills oder stimmungsvoller Perkussion für Abwechslung. Dazu tänzeln die Instrumente, allen voran natürlich Reuters Gitarren, immerzu umher und erschaffen so einen hypnotischen Sog, der auch durch die Beiträge der Gastmusiker verstärkt wird.
Tatsächlich merkt man zu keinem Zeitpunkt, dass der Song aus einem Algorithmus heraus entstanden ist. Nach steriler Mathematik klingt „FACE“ nämlich kaum, zumal man sich bewusst auf eine möglichst organische Instrumentierung fokussiert hat. Diese organische Instrumentierung sorgt zwischendrin sogar mal für den ein oder anderen Lacher, wenn etwa die Posaune um Minute sechs mit ihren „wahs“ so klingt wie die Lehrerin der Peanuts. Langweilig wird es jedenfalls nicht.
Der organische Sound ist auch notwendig gewesen, denn dadurch klingt die Platte wie aus einem Guss. Dazu hat „FACE“ eine stimmige Produktion wie aus dem Lehrbuch verpasst bekommen. Natürlich ist das Ganze ein bisschen verschroben und man muss entsprechend auch selbst offen für ebensolches sein, wie auch für minimalistische Instrumentalkunst. Gesang ist zwar enthalten, aber der dient auch eher der Instrumentierung. Dafür ist „FACE“ aber auch ein Album/Song, wie man es/ihn so wirklich sehr selten zu hören bekommt. Man muss in jedem Falle ein gewisses Maß an Geduld aufbringen, um hier Fuß zu fassen. Sobald man den Zugang hierzu jedoch erst einmal gefunden hat, ist die Platte im Grunde kaum mehr aufzuhalten und dürfte den Hörer über lange Zeit hinweg bestens unterhalten. Denn es gibt in diesen 35 Mintuten wirklich wahnsinnig viel zu entdecken…
Nichts für ungut aber als der Name Steven Wilson aufpoppte war ich raus. Wenn ich Musik zum Einschlafen bräuchte würde ich jederzeit zu Sleepy Wilson und Porcupine Tree zurückkehren, wobei zweitere ja wenigstens noch Spannung in Ihre Musik reinbrachten. Ganz zu schweigen die Info von einem 35 Minuten Track. Ich hab so schon immer Schwierigkeiten meine Aufmerksamkeit auf Songs mit 15 Minuten Spiellänge zu halten, wie soll das erst hierbei werden? Da bin ich raus.