Paradise Lost - Over The Madness

Review

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Kommendes Jahr werden PARADISE LOST zwanzig. Aus diesem Anlass veröffentlichen Century Media eine umfassende Retrospektive in Form einer Doppel-DVD, die die bewegte Geschichte dieser wegweisenden Band anhand zahlreicher Interviews mit aktuellen und vergangenen Bandmembers, Wegbegleitern und Freunden noch einmal aufrollt. Eigentlich eine nette und ambitionierte Sache. Doch bedauerlicherweise wird das Resultat einer Band vom Format von PARADISE LOST nicht gerecht.

Dabei hätte soviel eigentlich nicht schief gehen können, denn das Konzept ist bewährt: anhand ihrer Diskographie berichtet die Band aus ihrer eigenen Historie und wartet dabei mit teilweise ungeahnten, sehr sympathischen Anekdoten auf. Besonders über die Frühphase der damals 18-Jährigen gibt es nicht nur für die Musiker einiges zu Schmunzeln.

Mit zunehmender Spieldauer des Zusammenschnitts treten allerdings vermehrt dramaturgische Längen auf. Das liegt zum einen in der Natur der Sache: mit der jüngeren Geschichte der Band ist man einfach zu vertraut. Für wirklich Neues sind die letzten Jahre zu gut dokumentiert. Ein stärkerer Fokus auf die wirklich legendäre frühe bis mittelalte Ära der Band, in der sie Meilensteine wie am Fließband veröffentlicht hat, wäre hier mit Sicherheit interessanter gewesen. So klammert sich die Dramaturgie zu starr an die Diskographie, ohne den Mut aufzubringen, eigene Schwerpunkte zu setzen.

Zum anderen ist das Material an sich sehr trocken und lässt Abwechslung vermissen. Man mag das Gezeigte nicht einmal „Dokumentation“ nennen, denn die aneinander gereihten Interviewschnipsel bleiben vollkommen unkommentiert und nüchtern für sich allein stehen gelassen. Über ein handelsübliches Interview geht „Over The Madness“ nicht hinaus. Stoisch wird die Kamera auf das erzählende Gegenüber gehalten, auflockerndes historisches Bild- oder Videomaterial bekommt man nicht zu sehen. Lediglich der ein oder andere Konzertmitschnitt fließt als Abschluss einer Album-Besprechung mit ein. Allerdings handelt es sich dabei um jeweils höchstens 30 Sekunden.

Darüber hinaus ist die Aufnahmequalität alles andere als berauschend. Sehr oft wurde mit einem Richtmikrofon gearbeitet, was bei Sprachaufnahmen allein schon nicht ideal ist. Dazu kommt der Umstand, dass ein Großteil der Interviews in Pubs aufgenommen wurde, sodass der Interviewpartner im Tellerklappern und Gebrabbel der anderen Gäste nahezu untergeht. Leute, die außerdem Schwierigkeiten mit britischem Englisch haben, werden schnell an die Grenzen ihrer Konzentrationsfähigkeit stoßen. Ein Mastering scheint es nicht gegeben zu haben: Pegelschwankungen (autsch: Alex Skolnicks (TESTAMENT) Kommentar tut beim Anhören weh, Martin Ains (CELTIC FROST) ist dagegen kaum zu verstehen) und schwankende Bildqualität lässt einen eher an ein Homevideo denken als an eine professionelle Produktion. Material in dieser Qualität findet heute höchstens noch in der Bonussektion einer DVD Verwendung. Aber sicher nicht als Haupt-Feature.

Auf DVD 1 befindet sich der Film neben einer regulären Fassung noch als „Director’s Cut“, dessen Sinn und Zweck sich mir allerdings vollkommen entzieht. DVD 2 enthält neben den vollständigen Interviews mit Barney Greenway (NAPALM DEATH), Cristina Scabbia (LACUNA COIL) und Greg Mackintosh, die bereits für den Hauptfilm an sich herangezogen wurden, ein vollkommen überflüssiges Rehearsal (!) vor einem Gig in Griechenland, sowie Backstage-Material und eine Rubrik, in der Aaron Stainthorpe (MY DYING BRIDE) in Erinnerungen kramt.

Zu einer wirklich umfassenden Aufarbeitung der Geschichte einer so wichtigen Band wie PARADISE LOST genügt es nicht, einen überholten Interview-Marathon von vor zwei Jahren aufzuwärmen. So kommt es fast schon einer Ironie gleich, dass zum Zeitpunkt dieser Rückschau das einzige Album, das PARADISE LOST bis heute über Century Media veröffentlicht haben, noch nicht einmal einen Namen hat. Zumindest der Vollständigkeit halber hätte man hier aktuelles Material nacharbeiten müssen. Aber das ist noch der kleinste Kritikpunkt. Das Package krankt an arger inhaltlicher Schwachbrüstigkeit und wird der Erwartungshaltung, die man an ein solches Werk hat, nicht gerecht. Wo sind die gesammelten Promo-Videos? Wo ist das historische Live-Material? Wo sind die wirklich interessanten Geschichten, die über die Standard-Randnotizen zu den Albumaufnahmen hinausgehen? „Over The Madness“ hinterlässt zu meinem großen Bedauern den Eindruck einer mit kleinem Budget und viel Gleichgültigkeit zusammen gestrickten Pflichtübung, die selbst für Fans entbehrlich ist. Um dieser Veröffentlichung wirklich etwas abgewinnen zu können erfordert es deutlich mehr als nur Grundinteresse an der Band. Sehr schade!

21.11.2007

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