Pallbearer - Forgotten Days

Review

Kinners, wie die Zeit vergeht: PALLBEARER stehen drei Jahre nach ihrem monumentalen Brocken „Heartless“ mit dem Nachfolger „Forgotten Days“ in der Tür. Während „Heartless“ sich überaus progressiv und – als Zeichen einer kontinuierlichen Entwicklung – konsequent weitergesponnen vom Zweitwerk „Fountains Of Burden“ zeigte, so geht „Forgotten Days“ einen anderen Weg: Nämlich mit Sieben-Meilen-Stiefeln zurück zum Debüt „Sorrow And Extinction“. Weniger technisch, aber offener und rauer geben sich die acht Titel auf „Forgotten Days“ – die Attributierung „metallischer“ sei nur aufgrund der Selbsteinschätzung der Band hier angebracht, denn das soll schön jeder für sich selbst entscheiden.

PALLBEARER gehen zurück zum Anfang

Diese Entwicklung hat selbstverständlich Gründe. Da wäre zunächst das bereits medial ausgebreitete Albumkonzept der Familie. Dabei geht es nicht um Wiedervereinigungen und glückliche Feiern, sondern die von Bassist Joseph D. Rowland aufgeworfenen, problematischen Aspekte:

„Als wir „Sorrow and Extinction“ schrieben, war meine Mutter unheilbar krank. Sie starb, als wir die Demos aufnahmen, und seitdem sind 10 Jahre vergangen. Und so lange habe ich auch gebraucht, um mich mit mir selbst auseinanderzusetzen.“

Frontmann Brent Campbell ergänzt dazu:

„Meine Großmutter litt an Alzheimer und meine Mutter musste dabei zusehen, wie sie Stück für Stück zerfiel. Das war die Grundinspiration für den Song „Forgotten Days“.“

Das ist schon ein überaus bedrückender Rahmen und stimmig zu dem nicht minder drückenden, auf die Anfangstage von PALLBEARER zielenden Sound der Band. Diese Rückbesinnung wird begünstigt durch eine längere Tourpause und Aufenthaltsdauer daheim, sie prägt „Forgotten Days“ ebenfalls ganz maßgeblich. Raum und Zeit für Reflektion erlaubt eben Rückbesinnung und ja, die Befassung mit Motiven, die lange nicht im Fokus standen.

„Forgotten Days“: Viel Doom, viel Druck, viel Stimmung

Aber steigen wir mal konkret in das Album ein: Mit dem Titeltrack „Forgotten Days“ riffwalzen sich die vier Amerikaner erstmal eine breite Schneise – der im Laufe des Songs immer wieder auf beinahe schmachtendes Niveau zurück gekocht wird. Diese Wechsel zwischen brachialen, bereits als Trademarks der Band fungierenden Gitarrenwänden und den melodischen, stimmungsvollen Kontrapunkten – die in leichteren Momenten ein wenig an die immens blacksabbathigen TYPE O NEGATIVE erinnern – wird toll inszeniert. Frontmann Brett Campell gibt sich keine Blöße und führt überaus variantenreich durch diesen Titel. Der Opener „Forgotten Days“ ist durchaus so etwas wie der ultimative PALLBEARER-Song, die perfekte Sound-Melange – offeriert er doch alle Aspekte aus Heavy, Doom und Progressive Metal, für die es die Band einfach liebzuhaben gilt.

PALLBEARER (2020)

Dass bei „Stasis“ auch die Liebe zum spacigen Synthesizer ausgelebt wird, ist eine nette Zugabe, wirkt im Hause PALLBEARER aber durchaus stimmig und setzt sogar einen coolen Gegenpart zu den schweren Gitarren. Ansonsten wurde der Progressive-Anteil – und die noch zu „Heartless“ zu attestierende „Zurückhaltung“ – allenthalber deutlich zurückgefahren. Und auch wenn das selbst aufgeklebte Label Heavy Prog Doom nach wie vor passend erscheint, so erhält heuer das „Doom“ eine stärkere Betonung, ja sogar ein Fingerzeig in Richtung des Mitte der 1990er-Jahre aufkommenden Doom/Death Metal schimmert durch. Eine Erweiterung der Kategorisierung um „gloomy“ und „crushing“ bietet sich folgerichtig an.

Ansonsten gibt sich „Forgotten Days“ insgesamt abwechslungsreich: „Silver Wings“ schleppt sich schwermütig und klagend durch die Landschaft, das folgende „The Quicksand of Existing“ rockt eher im mittleren Tempo drauflos. Dass mit „Rite of Passage“ auch mal eine kleine PARADISE LOST-Anleihe durchrauscht, ist nach dem schweren, geradezu bedrückenden „Vengeance & Ruination“ ebenfalls eine schöne Randnotiz. Rausschmeißer „Caledonia“ klagt abschließend acht Minuten Richtung Ausgang und erinnert am deutlichsten an das progressivere Vorgängeralbum „Heartless“.

Modern und doch traditionell: PALLBEARER finden die Balance

Dass die Band die Zusammenarbeit mit Randall Dunn gesucht und gefunden hat, spricht ebenfalls für „Forgotten Days“. Als Produzent bereits mit EARTH, SUNN O))) und WOLVES IN THE THRONE ROOM befasst, verpasst er dem aktuellen PALLBEARER-Sound eine schöne Klarheit und Tiefe. Auch soll Herr Dunn dem Kreativprozess der Truppe durchaus neue Impulse verliehen haben – ein Befund, der aufgrund der vorerwähnten Expertise des Produzenten und dem vorgelegten Ergebnis zumindest nicht unplausibel erscheint.

So bleibt abschließend nur noch festzuhalten, dass knapp fünfzig Minuten aktuelle PALLBEARER eine überaus schwerwiegende Angelegenheit sind, denn „Forgotten Days“ wirkt nach. Insbesondere nach Genuss über Kopfhörer sollte man mal kurz die Gehörgänge und die Gemütslage durchpusten, denn nach dieser wirklich satten und bedrückenden Angelegenheit bleibt ein latenter Druck im Gedächtnis haften.

„Forgotten Days“ ist letztlich so kraftvoll wie wuchtig, gepaart mit einer großen Eindringlichkeit – thematisch und musikalisch. PALLBEARER ist ein meisterhaftes, modernes Doom-Album gelungen und das Quartett spielt seine besondere Fähigkeit, traditionell und gleichzeitig modern zu klingen, ausgezeichnet aus.

15.10.2020

Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!

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