Paladine - Entering The Abyss

Review

Oftmals werden in Promotexten bezüglich der beworbenen Band musikalische Vergleiche angebracht, die den Leser durchaus auf eine falsche Fährte führen können. Der Hinweis im Beipackzettel zur neuen Scheibe von PALADINE, „Entering The Abyss“ richte sich an Fans von FIREWIND und BLIND GUARDIAN, trifft den Nagel allerdings ausnahmsweise ziemlich genau auf den Kopf. Denn tatsächlich bewegt sich die Musik der Griechen grob zwischen dem Sound ihrer Landsmänner und der Krefelder Barden, mit gelegentlichen Ausflügen in symphonische Gefilde.

Euro Power Metal ohne Kitschfaktor

Besonders deutlich wird der BLIND-GUARDIAN-Einfluss durch die vielen immer wieder markant im Vordergrund aufspielenden Leadgitarren, die mit ihrer antreibenden und euphorischen Art durchaus an den Spielstil von André Olbrich erinnern. Man höre sich nur den Anfang von „War of the Lance“ oder den bockstarken Titeltrack an.

Auch ein seichter Keyboardteppich, welcher der Musik von PALADINE einen ganz leicht symphonischen Touch verleiht, ist allgegenwärtig. Dieser umweht das metallische Fundament jedoch eher, als dass er es zukleistert, weshalb „Entering The Abyss“ dann zum Glück auch nicht annähernd so überladen und dudelig klingt, wie vieles aus dieser musikalischen Ecke. Frontmann Nick Protonotarios ist zwar kein Hansi Kürsch und stößt hier und da hörbar an seine Grenzen; sein leidenschaftlich intonierter, hier und da leicht angerauter Gesang trägt aber ebenfalls dazu bei, dass die ganze Chose nicht in allzu süßliche Gefilde abdriftet.

Zudem spielen PALADINE ihren Euro Power Metal mit einer gesundenden Härte und die Gitarristen versuchen trotz des eingangs erwähnten Hangs zu markanten Leads nicht, sich mit allzu protzigem Griffbrettgewichse gegenseitig zu übertrumpfen. Da man sich außerdem über weite Strecken im (gehobenen) Mid-Tempo bewegt, bietet sich auch vergleichsweise selten die Gelegenheit für derartige Exzesse. PALADINE legen ihr Augenmerk auf getragene Epik und breit angelegte Refrains. Das heißt aber nicht, dass die Athener nicht auch ordentlich auf die Tube drücken können; ein Song wie „Hourglass in the Sky“ etwa setzt eher auf eine ordentliche Thrash-Kante, denn auf fingerverknotende Guitar-Hero-Raserei à la DRAGONFORCE.

PALADINE wandeln auf fantastischen Pfaden

Auch thematisch sollten sich Freunde von Kürsch und Co. gut aufgehoben fühlen. Schließlich handelt es sich bei „Entering The Abyss“ um ein Konzeptalbum, welches auf den Drachenlanze-Romanen von Margaret Weis und Tracy Hickman basiert, die ihren Ursprung wiederum in einer D&D-Kampagne haben. Wo BLIND GUARDIAN dem Thema mit „The Soulforged“ allerdings nur einen Song gewidmet haben, richten PALADINE gleich ihr ganzes Bandkonzept danach aus. Denn den Bandnamen hat man schlicht von einer Gottheit aus den Büchern übernommen und auch das Debüt „Finding Solace“ beschäftigte sich bereits mit der Reihe. Heimisches Terrain also für Fantasy- und Rollenspielfreunde.

In der Summe schaffen es PALADINE erstaunlich gut, jene Merkmale, die den Power Metal europäischer Prägung gerne mal zu einer recht kitschigen Angelegenheit machen können, zu umschiffen oder zumindest auf ein gesundes Maß zu reduzieren. Ganz an ihre Vorbilder kommen die Griechen noch nicht heran; denn die richtig großen Refrains sind bisher eher übersichtlich vertreten und Sänger Nick Protonotarios kann durchaus noch etwas an sich arbeiten. Zudem sollte man für die Fantasy-Thematik offen sein, wobei sich das Drachenlanze-Konzept auch irgendwann erschöpfen dürfte. Unterm Strich liefern PALADINE aber ein starkes zweites Album ab, welches nur wenige klare Schwächen offenbart.

18.03.2021

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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