Ozzy Osbourne - Scream

Review

„Scream“. Man könnte sagen, dass der Staub der vergangenen beiden Alben abgehustet ist. Während „Down To Earth“ noch eine eher düstere Gesamtstimmung verbreitete und etwas schwerfällig klang, scheint es im Nachhinein, als habe das 2007 erschienene „Black Rain“ den Grundstein für „Scream“ gelegt. Und doch ist „Scream“ soundtechnisch weitaus moderner als “Black Rain“.

Ob dies nun die Folge der plötzlichen Trennung von seinem langjährigen Gitarristen Zakk Wylde oder der Wechsel des Drummers ist? (Mike Bordin spielte noch auf „Black Rain“, wechselte dann aber 2009 zu seiner alten Band FAITH NO MORE; als Ersatz spielt auf „Scream“ Tommy Clufetos)
Nun ja, es scheint dem neuen Album nicht zu sehr weh zu tun. Es ist von seiner Art stark an den Vorgänger angelehnt, einzig die Gitarrenriffs klingen leicht anders, ohne jedoch den typischen OZZY- Heavysound zu vernachlässigen. Ozzy klingt nach wie vor seit „Black Rain“ gesanglich etwas „gepusht“ in puncto Stimmkraft, macht aber keinen schlechten Eindruck. Vertraut klingt wohl einzig und allein neben dem Madman dessen Bassist Blasko, der die scheinbare Musiker- Rundum- Erneuerung als einziger überstanden hat.

Viel wurde über „Scream“ schon im Vorfeld diskutiert, für welche Art Schrei Ozzys neues Werk wohl stehen möge. Ein Todesschrei? Ein revolutionärer Aufschrei? Besonders nachdem Wylde „gegangen wurde“ schieden sich die Geister, und es wurde heftig debattiert wer jetzt wen zum Überleben braucht, und manch ein Fan kündigte in diversen Internetforen OZZY die Treue.
Hört man „Scream“ das erste Mal, sind die Erwartungen hoch. Man sucht natürlich zunächst altbekanntes, wird bei „Let It Die“ nach den ersten Tönen quasi in Ekstase gespielt und es lässt sich vom Gitarrenspiel erahnen, dass es nicht Zakk Wylde ist, der die Saiten streichelt.
Nach einem üblen Break (0:41), dem ein spannungs- steigerndes Solo mit abschließendem vier- Sekunden- Sustain vorangeht, hört man Ozzy zum ersten Mal in einem Sprechgesang die Stimme „erheben“. Im direkten Vergleich zum vor über zwei Dekaden erschienenen Debütalbum „No Rest For The Wicked“ kann man sich anhand des Klanges dabei bewusst machen, wie alt der gute Herr inzwischen ist.

Nach dem (beim ersten Hören) aufgetretenen Stimmungsdämpfer folgt ein doch ziemlich cooler Refrain mit Mitgröhl- Potenzial. Hat man es bis hierher geschafft, fällt auch die nächste Strophe mit ihrem eher monotonen Klang nicht mehr so ins Gewicht. Man lebt sich ein. Es folgen ein Solo und ein abschließender Refrainpart.
Der zweite Track „Let Me Hear You Scream“, stellvertretender Titel für das Album, rockt dann auf jeden Fall die Halle. Ein äußerst flüssiger Titel, ohne störende Breaks, mit viel kalkuliertem Massensingen, bestem Headbang- Tempo, für mich persönlich der stärkste Titel, der auch das Album gut repräsentiert.
„Soul Sucker“ lässt Erinnerungen an „Thunder Underground“ wach werden. Tonnenschwere Riffs, düstere Gesamtstimmung, langsam, stampfend, vernichtend! Mit kurzem temporalem Aufleben in der zweiten Hälfte des Songs. Wohl ein Titel, in den man sich einhören muss, aber mit „Soul… Soul… Sucker“- Ohrwurm- Garantie.
Mit „Life Won’t Wait For You“ folgt dann eine, nun ja, „Art“ Ballade. Balladen sind wohl zuletzt das große Manko des Prince Of Darkness geworden. Meisterwerke wie etwa „Fire In The Sky“ („No Rest For The Wicked“) oder das moderne „Dreamer“ („Down To Earth“) sind auf dem letzten und auch dem jetzigen Album leider nicht so prägnant hervorgestoßen wie auf den älteren. Auch „Time“ haut einen nicht wirklich um. Nicht dass sie nicht gut klingen würden, eher passt die Gesamtstimmung nicht mehr richtig. Man kommt in Versuchung, eher „You’re No Different“ oder wie angesprochen „Fire In The Sky“ erklingen zu lassen. Aber wir widerstehen jetzt mal.

Den Titel „Diggin’ Me Down“ leitet ein melodiöses Intro ein, welches in eine geheimnisvolle Soundkulisse mit akustischer Gitarre mündet und dann mit heftigem Stakkato- Gewitter richtig durchstartet. Auch hier passt dann der neuartige Ozzy-Gesang sehr schön. Für bekennende Atheisten vielleicht nicht gerade der typische Song für die gemütliche Runde, denn die lyrische „Jesus-Return-Sache“ passt dann doch nicht jedem („So c’mon Jesus, we’re all here waiting just for you“); textlich noch erweitert durch göttliches Frage- Antwort- Spiel, ob und wie der Herr Messias denn kam/ kommt/ kommen wird.
Wer sich von derart Dingen jedoch nicht beeindrucken lässt, darf bei diesem Track beruhigt eine Pommesgabel nach der anderen schleudern.

Auch mit den folgenden Stücken „Crucify“ und „Fearless“ kommen zwei starke Heavy- Titel mit Wiedererkennungswert. „I Want It More“ gehört auch definitiv mit zu den etwas härteren Titeln, nervt hingegen auf die Dauer dann doch stellenweise schon etwas im Refrain.
„Latimer’s Mercy“ ist dann der letzte starke Titel der Platte, nicht so schwerfällig wie das Mammut „Soul Sucker“, und doch drohend, düster, metallisch.
Der kurze finale Titel, oder eher die gesungene Danksagung „I Love You All“ ist dann ein leicht melodramatisches Outro der Platte, ist aber irgendwie stimmig mit dem Gesamtkonzept.

Insgesamt betrachtet ist die Platte definitiv frischer und mit mehr Heavy- Titeln im Gepäck als der Vorgänger- und ob der Wechsel des Gitarristen jetzt gut oder schlecht gewesen ist, da erlaube sich jeder sein eigenes Urteil darüber. Ich denke es wird sich erst an dem Erfolg (vielleicht) kommender Platten entscheiden, wer die eigentliche Leitfigur war oder ist.

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27.06.2010

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