Die letzten drei Veröffentlichungen „Underworld Path„, „Reborn In Grimmness“ und „I Am Death“ von ORDER TO RUIN wurden von meinen Vorrednern bereits hinreichend auseinandergenommen und bei genauerem Blick fällt auf, dass mit jedem Statement anerkennend vermerkt wurde, dass die Band und ihre Musik durchaus Potential für „Größeres“ beweisen. Können sie diese Hoffnungen erfüllen und ist mit „The Loss Of Distress“ eine Weiterentwicklung spürbar?
Um jedoch zuallererst die Eckdaten des neuen Longplayers anzureißen, ist darauf hinzuweisen, dass der musikalische Nachgeschmack von „The Loss Of Distress“ von dem vorangegangener Stücke erheblich abweicht. Zwar bleibt man dem Melodic Death auch bei der vierten Veröffentlichung treu, jedoch ist der Sound wesentlich thrashiger und es sind wieder vereinzelte Ausflüge in schwarze Gefilde zu vernehmen, zudem ist bei den Münsteranern neben dem hin-und-wieder-zurück Logowechsel auch eine recht hohe Fluktuationsrate zu verzeichnen. Da es sich bei ORDER TO RUIN jedoch um ein gewolltermaßen reines Studioprojekt handelt, ist ohnehin fraglich, ob dies zu dem musikalischen Seitwärtsschwenk beigetragen hat. Jedenfalls ist bei der neuen Produktion zum ersten Mal der erhoffte menschliche Stockschwinger Teil der vierköpfigen Mannschaft – damit sind die Büchsendrums passé und das hat sich gelohnt. „The Loss Of Distress“ startet nach einem ambient-anmutenden Intro auch gleich mit dem Highlight der Platte, dem Song „Cyber Assassin“, der im mittleren Uptempo galoppiert und einen sehr eingängigen Refrain hat.
Nun aber gleich der Grund für die relativ niedrig bepunktete Wertung: Bereits im letzten Review wurde die Gleichförmigkeit der Songs bemängelt und diese zieht sich leider auch bei „The Loss Of Distress“ durch das Album. Im Prinzip gilt für nahezu alle Tracks: Man nehme eine dominante Lead-Melodie, ergänze diese um eine diesmal leider nicht sehr abwechslungsreich genutzte Stimme, man wechsele zwischen Vers und Chorus (oder vielleicht noch Pre-Chorus, aber Hauptsache Taktwechsel), bevor man zur wesentlich andersartigen, aber viel zu vorhersehbaren Bridge kommt, um danach wieder zum ursprünglichen Chorus und Takt zurückzufinden. Man durchbricht zwar stellenweise immerhin das AABA-Popsong-Schema, aber es macht die Sache nicht gerade spannend. Das Intro „Grotesque Voyage“ fällt zum Glück aus diesem Raster, steht jedoch in keiner Relation zu der restlichen Vorhersehbarkeit. Trotzdem ist die Produktion an sich in Ordnung, zwar nicht professionell, aber man hört alle Instrumente klar und deutlich. Leider klingt die Stimme durchgehend blechern und vereinzelte Keyboard- oder Orgel-Parts wirken im Gesamtbild etwas deplatziert, aber eigentlich kann man „The Loss Of Distress“ ganz gut durchlaufen lassen. Dabei bleiben zwar nur ein oder zwei Songs hängen, aber das tut niemandem weh.
Um nun aber ein Fazit zu ziehen: Würde es sich bei dem Album um das Debüt von ORDER TO RUIN handeln, würde ich die altbekannte Floskel zücken: „Talent ist erkennbar, das Songwriting hat ein Händchen für gute Hooklines und sobald der rote Faden gefunden und die Stärken genutzt werden, kann man gespannt sein, was da noch kommen mag!“ Aber es ist die nunmehr vierte Veröffentlichung und vielleicht wäre so langsam mehr daran gelegen, sich statt seitwärts endlich richtig nach oben zu bewegen. Zwar ist „The Loss Of Distress“ mit vielen eingängigen Melo-Death-Riffs gefüllt, aber mehr ist bekanntlich nicht immer besser. Wenn man das Gesamtbild mit dem der vorigen Veröffentlichungen vergleicht, kommt die Änderung des Inhalts und der Stimmung schon fast einem für jede Veröffentlichung anstehen Outfitwechsel nahe. Wo „I Am Death“ noch wesentlich mehr Kajal um die Augen hatte und die Haare offen trug, ist „The Loss Of Distress“ zurückgebunden, heller, thrashiger und irgendwie nur ziemlich anders, statt besser. Ob es natürlich überhaupt das Ziel einer Studio-Formierung ist, sich zu finden und über sich hinauszuwachsen, ist fraglich, denn man muss keine Konzerthallen füllen, aber der Anfängerbonus ist verbraucht und der Ideenreichtum von „The Loss Of Distress“ ist nett, aber leider nicht mehr, denn es ist bis zum Ende nicht klar, was ORDER TO RUIN nun eigentlich ausmacht.
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