Hinter dem Namen ORCSHOP hätte ich spontan eine Horde Rollenspiel-Verrückter Mittelalter-Fans vermutet, deren Texte tief in der Fantasy-Klischeekiste graben. Doch weit gefehlt! Die Hamburger stehen fest auf dem lyrischen Boden der Tatsachen und halten sich eher an persönliche Erfahrungen, die von Sängerin Stefanie Dorff-Ilchmann gefühlvoll vorgetragen werden. Mit deutlichem Hang zur Dramatik und einem gleichermaßen angenehmen wie kraftvollen Organ gesegnet entpuppt sich die vielseitige Frontfrau als große Stärke, die dem Quintett jede Menge Charakter verleiht.
Musikalisch hat man sich selbst die Bezeichnung „Violin Rock“ gegeben, was den Nagel auf den Kopf trifft und zunächst Erinnerungen an die Münchener Folk-Kollegen SCHANDMAUL weckt. Die Volksmusik-Schlagseite ist bei ORCSHOP allerdings weniger deutlich ausgeprägt, statt dessen kokettiert man deutlicher mit Pop-Elementen. Dies dürfte die Band auch für ein Mainstream-Publikum interessant machen, jedoch sollten sich Fans von IN EXTREMO, SUBWAY TO SALLY oder den bereits erwähnten SCHANDMAUL davon nicht abschrecken lassen.
Schien mir das Ganze zunächst noch ein wenig zu oberflächlich und plump, so erschließen sich bei genauerer Betrachtung zahlreiche Facetten, die die Musik spannend halten. Bedenkt man, dass diese EP erst die zweite Veröffentlichung der Formation ist, so überrascht das routinierte Songwriting. Hier sitzt jeder Ton genau da, wo er hingehört.
Gemeinsam mit der Sängerin bildet Violinistin Annette Arzet eine weibliche Doppelspitze. Für den Metal-orientierten Zuhörer mag es zunächst gewöhnungsbedürftig sein, dass die Geige im Vergleich zu den Gitarren deutlich in den Vordergrund gemischt ist, im Gesamtkontext des Bandkonzeptes macht dies aber durchaus Sinn. Mit nervigen Fiedelorgien wird hier zum Glück nicht übertrieben, das Streichinstrument nimmt stets eine band- und songdienliche Rolle ein.
Während der Opener „Minefield“ noch recht entspannten und eher unspektakulären Radio-Rock bietet, beginnt „Over The Edge“ mit einem punkigen Intro und entpuppt sich als launiger Mithüpf-Song. Hier fühlt man sich aufgrund der irisch anmutenden Elemente leicht an die populären Folk-Rocker COALMINERS‘ BEAT erinnert, was auch für die abschließende Akustik-Ballade „What You See / What You Get“ gilt, ein Stück das instrumental zwar wenig spektakulär anmutet, durch die beeindruckende Gesangsleistung aber zu einem absoluten Highlight wird.
„Hidden From Daylight“ ist eine sehr schöne EP geworden, die für die Zukunft dieser Band einiges hoffen lässt und zeigt, dass weiblicher Gesang in Rockbands auch ohne operettenhaften Kitsch wunderbar funktionieren kann. Wer nun neugierig geworden ist, sollte unbedingt einmal auf der Bandhomepage vorbeigucken und dort die CD bestellen.
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