Oranssi Pazuzu - Värähtelijä

Review

Galerie mit 28 Bildern: Oranssi Pazuzu - Nordic Descent Tour 2024 in Berlin

„Da wo wir hingehen, brauchen wir keine Augen, um zu sehen!“ Dr. Weir, „Event Horizon – Am Rande des Universums“ (1997)

Aller guten Dinge sind vier (oder so ähnlich). So zumindest bei den Finnen ORANSSI PAZUZU, die mit „Värähtelijä“ ihr viertes Werk am Start haben – und was für eins! Bereits die drei Vorgängerscheiben waren ein willkommener, exotischer Genuss auf der Speisekarte von experimentierfreudigen Black Metallern und Liebhabern obskurer Klangcollagen.

Entwicklung

Kollege Meul merkte passenderweise zum direkten Vorgänger „Valonielu“ an, das dem Werk von 2013 in der Konsequenz noch etwas fehlte: „die letzten Quäntchen mehr (schwarzmetallische) Extreme und (psychedelischer) Irrsinn hätten „Valonielu“ noch größer gemacht.“ Diese Feststellung lässt sich durchaus auf die gesamte Diskographie der Band ausdehnen, irgendwie verblieb in allen Alben zuvor immer noch ein kleiner Anker zurück, der den Hörer wieder in seine Komfortzone zurückgeholt hat. Mit „Värähtelijä“ gehen die fünf Finnen nun noch einen Schritt weiter als bisher: Das Weltall wird nicht mehr nur bereist und bestaunt, eigentlich ist man schon längst darüber hinaus, dann einmal wieder zurück und lotet nun die Grenzen des beschränkten menschlichen Verstandes in einer neuen Dimension neu aus.  Entsprechend wurde auf dem neuen Album auch nicht an der Extremität der schwarzmetallischen Kunst gegenüber „Valonielu“ gearbeitet, sondern an dem das Werk umschließenden Irrsinn.

Einzigartigkeit

Knapp über eine Stunde dauert dieser psychotische Space-Trip, der von ORANSSI PAZUZU zu einer chaotischen Suppe vermischt wird: Soundtrack, Post Rock, Kraut Rock, Black Metal. Das klingt mal ein bisschen nach MAYHEM, mal nach KING CRIMSON. Nach PINK FLOYD und  LIMBONIC ART. Gegen diese Songstrukturen wirken ARCTURUS wie eine Kaffeefahrt mit Großmütterchen und MYSTICUM wie lauwarmer Blasentee. Aber das Verblüffende ist eigentlich: ORANSSI PAZUZU verlieren sich nie in ihren Songs. Und sie verlieren auch nie den Sinn und Zweck ihrer Kunst aus den Augen, das Vorgetragene wird nicht zum Selbstzweck von verkopften Allesverwurstern: Nämlich dem Hörer eine Reise zu spendieren, der die Perspektive erweitert und vollständig mitreißt. Die fordert und belohnt. Zuckerbrot und Peitsche fürs Gehör. Durchatmen lassen die Finnen den Hörer nicht – immer wieder dröhnt der hypnotische Synthesizer aus den Boxen, die von allem befreite, oft brazzig eingesetzte Gitarre jault, das Schlagzeug hämmert erbarmungslos und technisch wirklich beachtlich ins Bewusstsein. Der Gesang von Frontmann Jun-His verkommt da zu einem Element unter vielen, obwohl er wunderbar variabel, mal heiser, mal krächzend, eingesetzt wird. Diese Mischung an verschiedenen Elementen, von Black Metal über Elektro zu Ambient, sucht ihresgleichen.

Fragmente

Beispiele? Der Opener „Saturaatio“, der klingt wie ein wahnsinniger Stammestanz eines ekstatischen Sternenvolkes mit wirren Trommeln. Der Titeltrack „Värähtelijä“, eines der kürzeren Stücke auf der Scheibe, hypnotisiert, wie er sich so unerwartet langsam aufbaut, beinahe schmeichelnd, und in einem schwarzen Loch verschwindet. Die siebzehn Minuten „Vasemman Käden Hierarkia“, die die Essenz von Ordnung und Chaos besser einfangen als „Ordo Ad Chao“. Das unästhetische und dröhnend hässliche „Havuluu“. All dies ist der dunkle Gott, der schon den Babylonern Fieber und Kälte brachte. Hinzu kommen kleine, bemerkenswerte Details hinzu: Der Walzer, der sich zum Abschluss von „Valveavaruus“ versteckt, das jazzige Glockenspiel in „Lahja“ oder der düstere Mönchsgesang im Titeltrack. Das sind die Sporen, die sich an die Seele des Hörers haften, die man nicht mehr los wird und die einem den Stachel ins Fleisch bohren.

So ist „Värähtelijä“ alles oder nichts. Und ORANSSI PAZUZU die Reiseleitung auf einem Trip in den Wahnsinn. Mitreisen.

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18.02.2016

Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!

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