Opeth - Pale Communion

Review

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Anno 2011 standen OPETH am Scheideweg und mancher Fan ist sich bis heute nicht sicher, ob er noch hinterherlaufen soll. Denn wer nicht true genug war, seine (ehemalige) Lieblingsband nach nur einem als unliebsam empfundenen Album für immer zu verschmähen, wird sich spätestens jetzt fragen, ob es sich noch lohnt, die Karriere der schwedischen Metal-Legenden weiter zu verfolgen. Klar: „Heritage“ war verschroben, „Heritage“ war widerspenstig, „Heritage“ war anders – kurz gesagt: Ich habe „Heritage“ geliebt. Genauso wie ich „My Arms, Your Hearse“ oder „Blackwater Park“ geliebt habe.

 

Die im Juni ausgekoppelte Single „Cusp Of Eternity“ mag manch altem Anhänger Hoffnung gemacht haben: Vom Riffing her fetter als fast jede Passage des Vorgängers, mit seinem Oriental-Touch aber zugleich auch poppiger als so ziemlich jeder Song der inzwischen elf Studioalben schweren Diskografie (Power-Balladen à la „Burden“ mal ausgenommen). Eines als Klarstellung vorweg: Es handelt sich hier keinesfalls um die Radio-Vorab-Pop-Single, sondern eher sogar um die fünf härtesten Minuten der Scheibe. Doch was steckt denn nun wirklich drin, in „Pale Communion“?


Um das ganze mal semi-chronologisch aufzuziehen: Der Opener „Eternal Rains Will Come“ knüpft ziemlich genau da an, wo „Heritage“ 2011 aufgehört hat und erst nach zweiminütigem Jazz-Prog-Geplänkel leiten Klavier und Flöte das ein, was bei konventionell denkenden Musikern wohl das Albumintro wäre. Über zart verspielte Clean-Melodien setzt dann Åkerfeldts Stimme mit mindestens drei Overdubs ein – eines der großen Charakteristika der Platte. Präsentiert wird eine 70s-Prog­-Rock-Nummer (KING CRIMSONs „In The Wake Of Poseidon“ lässt gelegentlich grüßen) mit nervösem Martin Axenrot an den Drums, gefühlvollen Vocals und seichten Gitarren. Ja, genau: Seicht. Denn wenn sich die eh schon selten angezerrten Sechssaiter mal wagen, dynamisch aus der Komposition herauszustechen, dann doch stets im warmen Deckmantel des Orgelflimmerns.


Generell werden die Klänge nicht selten von Westernklampfe und Hammond dominiert. Wird vielen nicht schmecken, ist aber gerade in Passagen, in welchen Åkerfeldts Gesang mehr denn je im Fokus steht, einfach verdammt gerechtfertigt. Auf Album Nummer 10 nochmal eine Schippe Tiefgang draufzupacken – muss man erst mal machen. Diese relaxten „laid back“-Arrangements funktionieren aber bei weitem nicht immer so gut wie im Opener, wie „Elysian Woes“ (darf man auf einem OPETH-Album von Füllmaterial sprechen?!) oder zuweilen auch der symphonische Rausschmeißer „Faith In Others“ bereitwillig beweisen. Das Elf-Minuten-Experiment „Moon Above, Sun Below“ hingegen agiert über weite Strecken in feinster Treibsand-Taktik: Kämpft sich aus dem verschlingenden Akustikloch hoch zu Fredrik Åkessons nach wie vor erstklassigen Soli, versinkt aber nach dem finalen Ausdrehen des Leslie-Speakers wieder ganz schnell im selbigen.


Dass aber auch proggy Frickeleien nicht fehlen dürfen und mehr noch, dass die Band auf ihrem Retro-Trip trotzdem im Stande ist, „vollkommen belanglos dahinplätschernde Songs“ (um mal die Kommentarsektion zu „Heritage“ zu zitieren) mit jenen Spielereien anzureichern, wertet Songs wie „River“ (den ich nach drei Minuten bereits verloren glaubte) oder eben „Eternal Rains“ dann nochmal gewaltig auf.


Wenn einem Song nun aber noch ein ganzer Absatz gewidmet werden muss, dann ist es Track Nummer 5. Dass Mikael Åkerfeldt frenetischer Fan zahlreicher Kraut- & Progressive-Rock-Gruppen der vergangenen Jahrzehnte ist, hört man nicht nur der musikalischen Entwicklung OPETHs an, sondern wurde mir auch in etlichen Stories vom Plattenhändler meines (und Mikaels) Vertrauens bestätigt. Die Einflüsse einer unterschätzten italienischen Prog-Band namens GOBLIN versucht er auf dem gleichnamigen Track daher gar nicht erst zu verbergen – und liefert damit gleichzeitig DAS Totschlagargument für alle, die gewillt sind, der Band progressives Abdriften und den Verrat ihrer musikalischen Wurzeln zu attestieren. Dabei ist „Goblin“ die gnadenlose Bündelung aller Kiefer-runterklapp-Riffs vergangener Alben – in nur einem Song. Ein Feuerwerk!


„Pale Communion“ ist ein Album geworden, an dem sich die Geister wieder einmal scheiden werden. An den richtigen Stellen aufgeschlossen, das ein oder andere Mal etwas zu zurückhaltend. Doch im Gegensatz zu Mikaels britischem Lieblingskollegen STEVEN WILSON (der natürlich wieder brav ans Mischpult gebeten wurde) wird hier nicht etwa versucht, die Geschichte des Prog weiterzuschreiben oder gar neu zu erfinden. Die fünf Gentlemen schenken dem Hörer einfach eine Zeitreise in einem musikalisch erstklassigen, stets mit OPETH-Logo verzierten Gewand. Zugegeben: Eine umgekehrter Albumzyklus („Watershed“, dann „Pale Communion“, dann „Heritage“) hätte wohl so manche Irritation vermieden. Doch Irritation ist zugleich eines OPETHs wichtigster Stilmittel. Established 1990.

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18.08.2014

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2 Kommentare zu Opeth - Pale Communion

  1. Hypnos sagt:

    großartiges Album! für mich das beste von Opeth seit den Zeiten von MAYH/Still Life. Es ist für mich schlüssiger und authentischer, organischer und fokussierter als Heritage. Schön und angenehm anzuhören…für ein einzigartiges Hörerlebnis empfehle ich nach dem letzten Song dann die Orchid aufzulegen!

  2. Johnny Cash Himself sagt:

    Folgendes finde ich auf jeden Fall spannend:
    Opeth haben durch das Weglassen der Death-Metall-Einflüsse (paradoxerweise) trotzdem an Vielschichtigkeit gewonnen, zumindest meiner Meinung nach. Die Arrangments, besonders die Parts mit mehrstimmigem Gesang, oder auch das Zusammenspiel zwischen Schlagzeug und Keys sprechen Bände! Ich liebe das neue Album, es ist mitreißend wie nie zuvor.