Opeth - Orchid

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Galerie mit 34 Bildern: Opeth - Evolution XXX - Opeth by request 2022 in Berlin

Jede Geschichte hat ihren Anfang. Und den ersten hörbaren, stilprägenden Anfang von OPETH stellte das im Mai 1995 veröffentlichte Debütalbum „Orchid“ dar.

OPETH – ein strahlend heller Stern am Firmament des Metals entsteht

Mikael Åkerfeldt und Schlagzeuger Anders Nordin spielen ab 1987 gemeinsam in der Black-/Death Metal-Band ERUPTION, die bis 1990 existierte. Sänger David Isberg war der eigentliche Gründer von OPETH im Jahr 1990, welcher Åkerfeldt ursprünglich als Bassisten in die Band holte. Nordin gesellte sich dazu. In der Folge wechselte das Line-up einige Male, erste Konzerte wurden gegeben, es entstanden mehrere Proberaumaufnahmen. 1994 konnten die Schweden schließlich einen Plattenvertrag mit Candlelight Records unterzeichnen. Kurz vor den Aufnahmen zum ersten Album „Orchid“ bestand das Line-up aus Sänger und Gitarrist Mikael Åkerfeldt, Gitarrist Peter Lindgren, Bassist Johan De Farfalla und Schlagzeuger Anders Nordin.

Die Aufnahmen entstanden vom 16. bis 27. März 1994 im alten Unisound Studio in Finspång mit Produzent Dan Swanö. Dies führte in der Folge zu weiterer fruchtbarer Zusammenarbeit, wie dem zweiten OPETH-Album „Morningrise“, der kurzzeitigen Mitwirkung von Mikael bei EDGE OF SANITY sowie der gegenseitigen Beeinflussung, oder auch dem gemeinsamen Wirken in den Zunächst als Spaßprojekt gegründeten BLOODBATH. Aber das sind andere Geschichten.

1995 – ein Jahr voller Klassiker

Als das Debütalbum „Orchid“ veröffentlicht wurde, teilte es sich die Aufmerksamkeit mit vielen anderen wunderbaren Alben, welche heute als Klassiker des dunklen Metals gelten: von ihren Landsmännern kam „Slaughter Of The Soul“ von AT THE GATES, „Storm Of The Light’s Bane“ von DISSECTION und „The Gallery“ von DARK TRANQUILLITY. „Symbolic“ lieferte progressiven Death Metal erster Klasse von DEATH, MOONSPELL erlangten größere Bekanntheit mit „Wolfheart“, SENTENCED lösten sich endgültig vom Death Metal mit „Amok“ und PARADISE LOST erreichten den vorläufigen Zenit ihres Schaffens mit „Draconian Times“. Und DREAM THEATER mit „A Change Of Season“ oder MARILLION mit „Afraid Of Sunlight“ zeigten auf der Prog-Seite, dass auch hier bei weitem noch nicht alles gesagt wurde. Da hatten es OPETH, welche hier schon anfingen beide musikalische Welten miteinander zu verbinden, nicht gerade einfach, größere Aufmerksamkeit zu erreichen. Und tatsächlich nahmen zunächst nicht allzu viele Notiz von den Schweden, was sich dann aber in Folge ändern sollte.

Zuvor waren die EDGE OF SANITY Meilensteine „Purgatory Afterglow“ und „The Spectal Sorrows“ veröffentlicht worden, die geschickt vormachten, wie man Death Metal mit Melodie und Progressive Rock, Gothic und Black Metal miteinander vereinen konnte. Ein Stilmix, den in ähnlicher und doch anderer Form auch OPETH zur Vollendung bringen sollten.

„Orchid“ – der Grundstein der bis heute anhaltenden Karriere von OPETH

Mit ihrem Debütalbum schlugen OPETH ihr ganz eigenes Kapitel auf und warfen alte Konventionen über den Haufen. Und, entgegen vieler ihrer Kollegen, war die Band bereits auf „Orchid“ stilistisch geöffnet, bewiesen die jungen Herren bereits einiges musikalisches Können und Einfallsreichtum, fernab dem üblichen ungezügelten Geholze anderer Debütalben des Death Metals, wo OPETH damals noch eingeordnet wurden. Die Schweden nahmen in ihren epischen, meist über neun Minuten Spielzeit langen Stücken den Melodic Death Metal, mischten diesen mit Progressive Rock/Metal, wobei die Prog-Elemente damals noch eine deutlich geringere Rolle als später spielten, dazu als erweiternde Farbtupfer etwas Folk-Elemente, dezent Black und Doom Metal als auch Jazz. Diese ungeheure Stilvielfalt überraschte und stellte tatsächlich eine Neuerung dar.

OPETH erfanden bereits auf „Orchid“ ihren ganz speziellen Progressive Death Metal, der bereits die Trademarks ihrer frühen bis mittleren Vergangenheit enthielt. Da wäre dieser für die Band so typische, auf diesem Album aber noch nicht ganz so ausgeprägte Wechsel aus brachialem, aggressivem und dennoch auf Harmonie bedachten Death Metal mit tiefen Growls, wenige Black Metal-Passagen, hochmelodische melancholische Parts, filigran ruhige, ja fast schon romantische Akustik-Zwischenspiele, wunderschöner Klargesang, virtuose, leidenschaftliche doppelte Gitarrenharmonien.

Dieses frühe, gekonnte Spiel mit Dynamiken, Wendungen und Brüchen, komplex aber nicht zu kompliziert, eingebettet in einem alles zusammenhaltenden Rahmen, der nicht abbrechende Spannungsbogen, das sind prägende Stilmittel, die OPETH in ihrer weiteren Karriere perfektionieren sollten. Alles wirkt durchdacht und durchkomponiert, wirklich jeder Ton hat seinen Platz, jeder noch so unvorhersehbare Wechsel ergibt Sinn, aufgrund der beständig intensiven düsteren, melancholischen Atmosphäre und der zahlreichen Gänsehaut-Momente wirkt alles aber nicht verkopft. Die ganzen Feinheiten eröffnen sich erst nach mehreren Hördurchgängen.

Åkerfeldt singt auf „Orchid“ noch weniger als auf späteren Alben und überlässt den Gitarren mehr Raum. Seine Growls sind schon fast so markant und wiedererkennbar wie ab „Morningrise“, einige verhaltene Black Metal Schreie, dazu ähnlich wie Swanö die Mischung mit damals noch dezenter eingesetztem betörendem Klargesang. Darüber schön viel Hall. Die Brutalität, Melancholie und Schönheit der Musik übertragen auf die Stimme.

Mit dem auf einer spanischen Akustikgitarre gespielten „Requiem“ und dem von Schlagzeuger Nording auf Klavier gespielten „Silhouette“ gibt es noch zwei kurze Instrumentalstücke, wobei das erstgenannte aufgrund einer Verwechslung beim Mastering an den Anfang von „The Apostle In Triumph“ gesetzt wurde.

„In The Mist She Was Standing“, „Forest Of October“ oder „The Apostle In Triumph“ sind frühe, noch vergleichsweise raue Blaupausen dessen, was OPETH in Folge perfektionieren und andere kopieren sollten. Der Bezug zum Black Metal und dieses besondere mystisch Bedrückende ist das, was „Orchid“ von allen folgenden Werken unterscheidet. Das wird sich auch in den Texten niederschlagen, die hier noch vom Schwarzstahl geprägt sind und später gehaltvoller werden sollten.

OPETH veränderten den Death Metal für immer

Das fesselnde, in seiner Form damals einzigartige „Orchid“ erschien zu einer Zeit, in welcher sich der Death Metal längst stilistisch öffnete, zahlreiche Bands neue Richtungen aufzeigten. Aber es waren OPETH, die ihn mit ihrer äußerst abwechslungsreichen Gratwanderung für immer veränderten und weiter atemberaubend schöne, intensive Alben erschaffen sollten.

18.10.2023

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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3 Kommentare zu Opeth - Orchid

  1. Watu sagt:

    Tolles Debüt Album, da war ich noch nicht auf Opeth aufmerksam geworden. Das passierte dann aber mit Morningrise, welches mich alleine schon mit dem stielvollen Cover in den Bann gezogen hat und natürlich dem kultigen Aufkleber „EXTREME PROGRESSIVE METAL FROM SWEDISH GODS! 5 TRACKS IN 66 MINUTES OF THE BEST METAL YOU WILL EVER HEAR!“. Persönlich gefällt mir Morningrise auch noch einmal deutlich besser, insb. weil es die Stimmung des Covers sehr intensiv vermittelt hat und für mich bis heute Opeths bestes Album darstellt. Zu Orchid kann ich gar nicht soviel schreiben, da es bei mir immer im Schatten von Morningrise stand und daher selten wirklich rotiert ist. Bis heute tolle Band, auch wenn ich musikalisch zuletzt nicht mehr so viel mit ihnen anfangen konnte

    8/10
  2. dan360 sagt:

    Habe Opeth erst mit dem Stilbruch kennen und vor allem lieben gelernt, daher habe ich für die alten Werke meine Zeit gebraucht. Mittlerweile eine, wenn nicht sogar meine favourite Band. Die letzte Scheibe z.B. ist für mich noch zum Masterpiece gewachsen. Opeth-Alben sind halt typische Grower und erfordern Zeit. Wenn sie dich aber gepackt haben, lassen sie dich nicht mehr los. Habe länger gebraucht, mich in die Frühwerke reinzuhören.. grade bei den ersten beiden Scheiben und z.T. auch noch MAYH, bei denen die Songstrukturen noch nicht so fein ausgearbeitet sind. Was Åkerfeldt schon mit jungen Jahren an Riffs rausgehauen hat, ist enorm. Da hätte so manch eine Band weiß ich wie viele Alben mit geschrieben.
    Live kommt grade das Material der ersten drei Platten noch mal besser rüber, wenn auch die Produktion vergleichsweise oft besser war als das meiste aus der Sparte zu der Zeit.
    Lange Rede, kurzer Sinn: Ein beeindruckendes Debüt von Maestro Åkerfeldt, dem noch viele Meisterwerke folgen sollten!

    9/10
  3. Urugschwanz sagt:

    Tolles Album. Ein totaler Klassiker und mit Morningrise die Sternstunden von Opeth.

    9/10