Opeth - Morningrise

Review

DAS Album der vergangenen fünf Jahre. „Morningrise“ ist eines jener rar gesäten Langrillen, die man auch nach zweijähriger Dauerbeschallung nicht müde wird, mindestens zweimal die Woche im Teller zur Rotation zu zwingen. Legendär mutet zunächst das ‚Intro‘ des Openers „Advent“ an, das einen mit einer pochenden Doublebass und einem treibenden Riff sofort gefangen nimmt. Nach einem kurzen akustischen Besinnungs-Intermezzo läßt man sich ergeben von einem Lauf zum nächsten führen, bis man sich schließlich, wieder Doublebass-geschüttelt, mit einer vor Agression und Gewalt nur so strotzenden Stimmwucht konfrontiert sieht – WAS ein Beginn! Jene Heiß-Kalt-Manier durchzieht denn auch wie ein roter Faden die gesamte CD, das Markenzeichen Opeths auf seinem unumstrittenen Höhepunkt. Die ersten Clean-Vocals nach etwa 7 min überraschen beim erstmaligen Hören in Klarheit und Gefühl, spätestens nach dreimaligem Genuß machen gerade diese den überwältigenden Charakters der Gesamtheit aus. Der unvergleichliche Einfallsreichtum von Sänger, Gitarrist und Chef-Songwriter Mikael Åkerfeld kennt schier keine Grenzen, und auch die beispiellose Drum-Kreativität Anders Nordins sucht seinesgleichen in der Metal-Welt. Selbst die auf anderen Opeth-Alben hin und wieder etwas zu kurz kommende Bass-Arbeit erfährt auf „Morningrise“ einen markanten Höhepunkt. Bass-Soli wie in „Advent“, „Nectar“ oder „Black Rose Immortal“ unterstreichen die perfekte Symbiose und somit die Daseinsberechtigung sämtlicher Instrumente zu einem Ganzen – was man bei etlichen anderen Bands im Metalbereich doch schmerzlich misst. Der anfangs verwundernde, überraschend knarzige Gitarrensound spiegelt nach mehrmaligem Hören der CD perfekt die Rauhheit der Musik wieder, die bei aller Perfektion nie verloren geht und einen nicht geringfügigen Teil jener unbeschreiblichen Gesamtatmosphäre zu entwickeln weiß: Die Melodiebögen, ob durch Gesang, Bass oder Gitarren übernommen, verleiten zu ungehemmtem Fallenlassen in eine ungeahnte Tiefe von lupenreinen Harmonien, nie wird man durch vorzeitige Endigung oder vermeintlich unvollkommenen Abbruch enttäuscht allein gelassen, jede Emotion wird bis zu ihrem Ausklang musikalisch gelebt. Auch der lyrisch verankerte trübe Grundtenor des Gesamtwerkes läßt erfrischend progressive und kurzweilige Phrasen zu, wodurch ein über 20-minütiges Monument wie „Black Rose Immortal“ erst an Außerordentlichkeit gewinnt und dem Vorwurf abzusprechen vermag, allein durch seine Länge beeindrucken zu wollen. Auch die düsteren, in Wort- und Klangwahl erlesenen Lyrics Åkerfelds sprechen nicht das Death-übliche Klischee-Englisch aus möglichst blutigen Vokabeln, drücken selten grundlos pessimistisches Selbstmitleid aus, sondern stimmen sich elegant an die jeweilig vorherrschende Anwandlung der Musik an, lassen ihr genau so viel Raum wie diese dem Gesang. Einen ungewöhnlichen, durchgängig sanften Ausklang des Albums bietet die letzte Nummer „To Bid You Farewell“. In beeindruckend gefühlvoller Art und Weise bitten Opeth zum letzten Rausch, ohne schwülstig auf die Tränendrüse drücken zu müssen. Letzten Endes ist dieses Review eigentlich so entbehrlich wie sinnlos: Opeths Musik ist alles, nur eines nicht: Beschreiblich.

31.12.2000
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