Opera Diabolicus - Death On A Pale Horse

Review

So aus dem Nichts wird mir von unserem Verteilerteam einfach so OPERA DIABOLICUS aufgetischt. Das klingt erstmal nach einer dieser Bands, die einfach mal auf Teufel komm raus zwei lateinische Begriffe ohne Rücksicht auf Kasus aneinander gereiht haben, weil es irgendwie cool geklungen hat, auf dass studierte Latinisten in Agonie die Wände hoch kraxeln. Ist ja ein bisschen so wie bei den Tattoos, die sich Leute in fremden Sprachen und/oder Schriften sonst wohin machen lassen. Doch dieses Projekt zweier Schweden, die unter den Pseudonymen (?) David Grimore (Gitarren, Keyboards) und Adrian de Crow (Bass) verkehren, hat es faustdicke hinter den Ohren – und zwar nicht nur musikalisch, sondern auch hinsichtlich des gastierenden Personals, das hier auf dem Zweitling „Death On At Pale Horse“ zu hören ist.

OPERA DIABOLICUS haben sich die richtige DNA geschnappt

Nicht nur ist OPERA DIABOLICUS ein kleines, gefühltes MERCYFUL FATE-/KING DIAMOND-Klassentreffen mit Gastbeiträgen von Snowy Shaw, Andy La Rocque und Michael Denner. Über die meiste Zeit steht am Mikro auch ein gewisser Mats Levén, der seine gesangliche Duftmarke schon in allen möglichen Bands hinterlassen hat, prominenterweise etwa bei CANDLEMASS, THERION oder dem TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA. Angesichts solcher DNA dürfte es wenig wundern, dass wir uns stilistisch im Heavy Metal mit Horror-Thematik und leichter Power-Schlagseite hier und da bewegen. Der Unterschied ist einmal, dass offensichtlicherweise kein Falsettgesang weit und breit zu hören ist. Zum Anderen herrscht ein prägnanter, aber nicht zu überbordender Gothic- bzw. Symphonic-Einschlag vor, der die Stimmung von „Death On A Pale Horse“ entscheidend prägt.

Der besagte Gothic-Einschlag kommt möglicherweise auch dank der Gastsängerinnen Madeleine Liljestam (ELEINE) und Angelina DelCarmen zum Tragen, die regelmäßig ihre Stimmen erheben und eigene Parts zugeteilt bekommen. Ja, es klingt wie ein ausgeleiertes Klischee, aber deren Stimmfarben passen nun mal wunderbar in das hinein, was man gemeinhin als Gothic bezeichnet. Dabei spielen sie im Songwriting allerdings eher eine untergeordnete, nichtsdestotrotz integrale Rolle, werden also nicht einfach als Refrain-Häschen zweckentfremdet. Den Löwenanteil der Vocals steuert Levén bei – und seine Darbietung passt einfach überragend in diesen Sound hinein. Er strahlt ein wahnsinniges Charisma aus und steigert sich teilweise massivst in seine Gesangslinien hinein. Lediglich in „A Song Of Detestation“ übernimmt Shaw das Gesangszepter und stellt sich ebenfalls ziemlich gut an.

Theatralische Finsternis mit der Extra-Portion Cheese

Und das hier Dargebotene klingt dramatisch, hymnisch, expressiv und hat in einigen Cuts dank verteilter Gesangsrollen teilweise ein bisschen was von einer Rockoper. „Siren’s Call“ ist darin ziemlich gut, wobei hier auch schön das Stück CANDLEMASS-DNA durchscheint aufgrund des schleppenden Tempos in Kombination mit Levéns melodramatischem Gesang. Es geht aber auch mal deutlich zackiger zu bei OPERA DIABOLICUS, so zum Beispiel im folgenden „Darkest Doom On The Brightest Days“, das zudem auf einen großartig überleitenden CARCASS-Pre-Chorus folgend die mit Abstand beste Hook der Platte enthält. Es ist wunderbar: Hier scheint die oben angedeutete Power-Schlagseite durch. Es ist vollkommen cheesy und klingt wie das Metal-Äquivalent eines Disney-Bösewichts, der gerade in seiner obligatorischen Musical-Darbietung seine finsteren Pläne besingt.

Bei der Spielzeit von einer knappen Stunde kommt ein Gros der Tracks natürlich auf eine amtliche Länge, was auf Hörerseite eine nicht unwesentliche Investition in das hiesige Material einfordert. „Death On A Pale Horse“ ist zwar mitnichten progressiv vertrackt geschweige denn verfrickelt geschrieben, aber ein Song wie beispielsweise „Second Coming“ erschließt sich mit seinen knapp zehn Minuten erst nach einigen Durchläufen, einfach weil des Teufels Ensemble so viel Inhalt hier reingestopft hat. Dass der Song nicht komplett auseinander fällt, ist einfach der konsistenten Stimmung, der wunderbaren Harmonieführung und der praktisch tadellosen Instrumentierung zu verdanken, nicht zuletzt sicher auch der knackigen, geradezu explosiven Produktion, für die sich David Grimoire höchstselbst verantwortlich zeigt.

Mehr als nur KING DIAMOND für Fans mit Falsett-Phobie

Man sollte diesem Werk hier also Zeit lassen – hier hilft tatsächlich, das Lyric-Sheet zur Hand zu nehmen. Die Menge an Overacting, die einem hier besonders von Levén entegegen gebracht wird, muss man natürlich auch erst einmal verdauen können. Andererseits ist die Steigerungsform hiervon vermutlich nur noch der King selbst. Und irgendwie klingt „Death On A Pale Horse“ dann doch wie sein ganz eigenes Ding, vielleicht nicht unbedingt revolutionär, aber doch so voller Elan und derart vielschichtig geschrieben, dass man hieran lange seine Freude haben wird. Was hier an Falsett-Theatralik fehlt, machen die mehrstimmigen Gesangsarrangements locker wett, die im Rausschmeißer „At Nighttime“ besonders schön sinister in Szene gesetzt werden. Ein schönes Werk zum sich glücklich Gruseln. Oder auch: Nach Halloween ist vor Halloween …

08.12.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

Exit mobile version