On Broken Wings - Some Of Us May Never See The World

Review

On Broken Wings sind bei uns noch ein ziemlich unbeschriebenes Blatt und konnten sich wohl bisher nur in einschlägigen Kreisen den verdienten Respekt erspielen. Wobei sich hier gleich die Frage stellt – in welche Kategorie lassen sich die Verrückten aus den Staaten einordnen? Man verpasst dem eigenen Schaffen ganz unkonventionell und selbstsicher das Prädikat „Planned Chaos“. Und nichts anderes ist auf „Some Of Us May Never See The World“ zu hören. Nach dem ersten Hörgang musste ich mich erst einmal sammeln und das verarbeiten, was mir in den letzten 40 Minuten um die Ohren geflogen war. Krasser, düster, angsteinflößender Metalcore, der mir mehr als einmal beinahe die Luft zum Atmen geraubt hat. Die Jungs verbreiten allerdings kein heilloses Chaos, wie man es vielleicht vermuten würde, sondern springen sicher zwischen unglaublich eingängigen Melodien, schleppenden Passagen, die stellenweise etwas an Lividity erinnern und hassverfülltem Hardcoregeprügel. Keiner der Songs ist nur ansatzweise vorhersehbar. Hinter jeder Ecke lauert eine kleine Überraschung, die nur darauf wartet, entdeckt zu werden. Von einem Moment auf den anderen bricht ein Orkan los in dem Sänger „Jonathan Blake“ wie ein Amokläufer wütet, sich die Lunge aus dem Leib kotzt, um im nächsten Augenblick in ausdrucksstarken cleanen Vocalparts zu versinken. Alles harmoniert, so abrupt die Tempowechsel auch sein mögen. „Johnny“, der sich für die Samples und Keyboardeinlagen verantwortlich zeichnet, trägt nicht unwesentlich zum einen oder anderen Überraschungseffekt bei, der den Bogen aufs Neue spannt. Was der Scheibe noch die Krone aufsetzt, ist eine astreine Produktion, ohne Schnörkel, die schlicht und einfach das ins rechte Licht rückt, was „On Broken Wings“ ausmacht: „Planned Chaos“. Selten war eine Stilbeschreibung treffender, wie die der Bostoner „Sickos“. Mir fällt es ausgesprochen schwer einen Song herauszuheben, da jeder für sich eine kleine Perle ist. Die wohl besten Vertreter, um sich einen Überblick über das Schaffen dieser Ausnahmekombo zu verschaffen, sind „Listless“, „I Do My Crosswords In Pen“ sowie das Ausnahmestück „As You Speak“. Ganz ohne Häme geht allerdings auch diese Scheibe nicht durch. Einen völlig deplatziert wirkenden Hidden-Track in Form einer Hip-Hop Einlage darf man sich in Zukunft gerne sparen. „On Broken Wings“ sind definitiv keine „einfache“ Band und verlangt dem Hörer eine Menge ab. Ich bin mir sicher, dass es viele Menschen geben wird, die mit diesem Extrem wenig anfangen können, den anderen wird allerdings etwas Außergewöhnliches geboten. Eine Scheibe, die meinen Player seit Wochen nicht mehr verlässt.

20.04.2004

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