Ole Teigen - Aske Og Jord
Review
Das norwegische Label Apollon Records erweist sich doch immer wieder als Fundgrube, wenn man nach vorzugsweise skandinavischer Klangkunst mit hohem Qualitätsstandard sucht und dabei mehr auf progressive bzw. jazzige Klänge als auf Black Metal aus ist. Ole Teigen veröffentlicht ebenda sein Solo-Debüt „Aske Og Jord“. Er dürfte dem ein oder anderen Black-Metal-Veteranen unter seinem Pseudonym Jormundgand ein Begriff sein, unter dem er schon bei DØDHEIMSGARD mitgewirkt hat. Daneben zählen auch die Stoner-Doom-Band SUPERLYNX sowie ein zeitweises Mitwirken bei DEN SAAKALDTE zu seiner musikalischen Vita.
Ein melancholisches Meisterwerk mit tragischer Vorgeschichte
Aber all diese Referenzen sollte man beim Genuss von „Aske Og Jord“ gedanklich hintenan stellen, denn bei vorliegendem Album handelt es sich um eine Fusion aus Jazz und klassischer Musik, an der praktisch gar nichts metallisch ist, das aufgrund seiner prominent klassischen Prägung jedoch sehr wohl für Metaller interessant sein dürfte. Der gesamte musikalische Korpus hierhinter ist tief in skandinavische Melancholie getaucht worden, was in diesem Falle tatsächlich mehr als nur der geografisch verankerten Ästhetik geschuldet ist. Der Hintergrund zu „Aske Og Jord“ nämlich ist, dass Ole Teigen hiermit eine Widmung an seinen Bruder Karl Teigen inszeniert, der sich selbst das Leben genommen hat, was sich auch in der Titelgebung (z. B. „Den Tyngste Dagen“) widerspiegelt.
Insgesamt hat „Aske Og Jord“ etwas Kammermusikalisches an sich. Will sagen: Die Musik lässt sich vermutlich relativ gut mit einem Personal in einstelliger Kopfzahl live inszenieren. Wer übertriebenen Pomp á la BLIND GUARDIAN sucht, ist hier also vollkommen verkehrt. Das tut der Musik aber keinen Abbruch, im Gegenteil: Gerade diese Reduktion auf wenige, dafür umso essentieller wirkende Stimmen verleiht dem Klanggewand etwas, das über typische Melancholie hinausgehend mehr als nur Stimmungsmusik darstellt. Es erzeugt zeitweise ein geradezu gutturales Gefühl von Einsamkeit, Trauer und möglicherweise sogar Reue, je nach dem, wie viel man in weitestgehend instrumentale Musik hineinzuinterpretieren bereit ist.
Ole Teigen schüttet mit „Aske Og Jord“ sein Herz aus
Moll ist natürlich die harmonische Gangart, in der Ole Teigen mit „Aske Og Jord“ bevorzugt unterwegs ist. Daran ändert sich praktisch kaum etwas im Verlauf der Gesamtspielzeit. Das dominante Instrument ist das Klavier, das die Songs durchgehend anleitet und sich selten bis gar nicht das Rampenlicht stehlen lässt. Dynamik und Spannung werden daher vor allem durch dessen weitläufige Melodiebögen erzeugt, welche die Songs bevölkern und mal elegisch vor sich hin sinnieren, mal kaskadengleich auf den Hörer einregnen. Die Songs sind entsprechend aufgeräumt genug strukturiert, sodass man selbst als Laie auf dem Gebiet der Instrumental-Musik jenseits ihrer songorientierten Vertreter wie TOUNDRA stets den Durchblick behält.
Weitere wiederkehrende Instrumente – basierend allerdings allein auf meiner eigenen Wahrnehmung in Ermangelung einer detaillierten Auflistung – sind eine Violine, ein bevorzugt gezupfter Kontrabass, ein zumeist jazzig spielendes Schlagzeug sowie eine Querflöte. Eine weibliche Stimme taucht zudem in der zweiten Hälfte des Openers „Barndom“ auf, um wortlosen Hintergrundgesang beizusteuern, der diesem ohnehin sehr eindringlichen Track eine noch intensivere Note verpasst. Überhaupt klingt „Aske Og Jord“ sehr intensiv, aufwühlend und düster. Der zentrale Gedanke von tiefer Trauer zieht sich durch das gesamte Album hindurch und unterfüttert dessen tragischen Hintergrund mit einer stets nachvollziehbaren, ja: spürbaren Gravitas.
Klassik im jazzigen Gewand
Dennoch wird diese Finsternis gelegentlich durch lebhaftere Motive aufgelockert. „Magician In Despair“, ein Titel der sich auch auf das gleichnamige Gemälde Teigens bezieht, wirkt gemessen an der sonst eher trübseligen Stimmung fast wie ein Hauch von Frühling, speziell wenn der Song im Mittelteil gelegentlich fast den dritten, pastoralen Akt der Willhelm Tell-Ouvertüre ansatzweise zu paraphrasieren scheint. Insgesamt ist das Stück auch deutlich treibender inszeniert und wirkt weit weniger elegisch wie der Rest des Albums. Vergleichbar quirlig ist auch der Titeltrack, wobei die Klangfarben hier weniger an Frühling und mehr an einen klassischen, Schnurrbart zwirbelnden Bösewicht in Zylinder und Frack denken lassen. Wobei das nicht als Kritk verstanden werden soll: Es klingt hervorragend.
Ole Teigen bereitet seinen Hörern mit „Aske Og Jord“ ein intensives Hörerlebnis, das die Grenzen zwischen Jazz und Klassik komplett verschmelzen lässt, wobei die Gewichtung etwas mehr zu Gunsten des Letztgenannten tendiert. Das mindert den Mehrwert der Platte allerdings keineswegs, sondern macht sie im Grunde nur attraktiver für Metaller auf der Suche nach stimmungsvoller, non-metallischer Klangkunst. Die kammermusikalische Art der Musik leistet ganze Arbeit, um die Atmosphäre so richtig tief in die Magengrube fahren zu lassen, während der glasklare, mit bedeutungsschwangerem Hall arbeitende Sound ein Übriges tut, um das Hörerlebnis bei aller Eindringlichkeit möglichst angenehm zu machen. Wer also seinen atmosphärischen Klassik-/Jazz-Fix sucht, ist hier goldrichtig.