Ohrenfeindt - Auf Die Ohren

Review

Galerie mit 13 Bildern: Ohrenfeindt - Rockharz Open Air 2023

Der Bandname OHRENFEINDT klingt vielleicht nach Neuer Deutscher Härte, gehört aber tatsächlich einer Hard-Rock-Institution aus St. Pauli, die jetzt, nach vielen Jahren und Alben, auch zumindest national von sich reden machen will. „Auf die Ohren“ ist deshalb auch, um das gleich vorweg zu nehmen, ein ziemlich ambitioniertes Doppel-Live-Album, das man eher MOTÖRHEAD als OHRENFEINDT zutrauen würde – 20 Songs, über 100 Minuten Spielzeit, Digipak, große Gesten.

Die erste der beiden Scheiben steht ganz unter dem Motto der Rock-’n‘-Roll-Party und lässt sich mit vier Buchstaben und einem Zeichen trefflich umschreiben: AC/DC. Das Hamburger Trio eifert hier deutlich ihren australischen Vorbildern nach – das bezieht sich auf den Gitarrensound, das Riffing, den Gesangsstil und sogar auf die Themen der Texte. Das Besondere an OHRENFEINDT ist, dass sie Deutsch singen. Zwei, drei Songs lang wirkt das seltsam und ungewohnt, entpuppt sich aber tatsächlich als probates Mittel, die Band authentischer darzustellen. Frontmann Chris Laut singt überzeugend und mit viel Talent zum Entertainment von „Rock’n’Roll-Mädchen“, kaltem Kaffee, leeren Konten und zugerümpelten Wohnungen, parasitären Kumpels und hübschen Barfrauen, die er gerne nach Hause fahren möchte. Das wirkt sympathisch, ehrlich und bodenständig – so, wie Rock wirken sollte. Manche würden sagen: „aus dem Leben gegriffen“.

Auf Scheibe zwei wird es dann ein wenig besinnlicher – da geht es beispielsweise um „zwei, die sich treffen und sich unglaublich toll finden… das Dumme ist nur: mindestens einer von beiden ist noch anderweitig vertraglich gebunden“, Kater-Melancholie im morgendlichen St. Pauli und große Abschiedsszenen. Auch das Rock-Halbballadenmetier beherrschen OHRENFEINDT recht souverän, wenn auch die ganz große Emotion nicht aufkommen will. Das ist vermutlich aber auch nicht gewollt, denn im Zugabenblock geht es dann nochmal um den Kern der Sache: „Harley-Luja“, „Rockstar“ und die selbsterschaffene Bandhymne „Ohrenfeindt“ peitschen das Publikum noch einmal zu Höchstleistungen, nachdem es bereits in allerhand Mitsingspielchen gefordert wurde.

Das ist auch einer von ansonsten eher wenigen Kritikpunkten an dieser Live-Platte: die vielen lustig gemeinten und live sicher auch unterhaltsamen Sprüche wirken in der Konserve mitunter schon ein wenig platt und zu gut vorbereitet. Manchmal wünschte ich mir noch ein wenig mehr Zug und mehr Adrenalin, auch wenn die drei ansonsten erfolgreich ihr Bestes getan haben, um eine energetische Liveplatte mit gutem, manchmal fast zu glattem Sound auf die Beine zu stellen. Ihre nur noch hintergründig vom Blues beeinflusste Hard-Rock-Variante mit leichten Southern-Rock-Einschlägen macht es allerdings auch jedem Hörer recht leicht, diese Band angenehm zu finden. Dass ihre Songs vielleicht nicht das letzte Wort in Sachen Hard Rock sind und auf den Fotos aus ihrem Backstageraum nur Wasser, Kaffee und Bionade stehen, spielt dabei erst höchstens sekundär eine Rolle.

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27.09.2009

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