„Myriad“ bedeutet eine unzählige Menge. Nein, besser eine unzählbare Menge. OH HIROSHIMA haben sich mit ihrem neuen Album, welches diesen Titel trägt, offensichtlich viel vorgenommen. Die Post-Rock-Musiker aus Schweden, die jetzt nur noch als Duo unterwegs sind, sind als wahre Virtuosen ihres Genres bekannt. Ihre Melodien haben den Ruf leichtfüßig und tiefgreifend zu sein. „Myriad“ verspricht eine Menge davon.
OH HIROSHIMA versprechen eine unzählbare Menge
OH HIROSHIMA konzentrieren sich auf ein, durch die Pandemie verursachtes, Wechselbad der Gefühle gepaart mit musikalischen Klängen und Stilmitteln, die diese Emotionen wie flüssiges Wachs langsam daher fließen lassen, wobei Trauer und Verzweiflung eines der vorherrschenden Thematiken auf der neuen Veröffentlichung darstellen. Und so wälzt sich der erste Song „Nour“ schwermütig und grollend vorwärts, transportiert eine fast depressive Stimmung, badend in Schmerz ohne Momente der Leichtigkeit, ohne Licht, dafür sehr viel spürbarer Schatten.
„Myriad“: Wenn der Schatten immer wieder den Kampf gewinnt
In dieser basslastigen, dumpfen Stimmlage verbleibt der darauffolgende Track „Veil Of Certainty“, welcher sich durch rhythmisch, stampfende Drums und melodischem Gitarrenspiel über die Länge von seiner düsteren Grundlage etwas freizuspielen versucht. Ein leichtes Aufflackern von euphorischer Energie, die sofort in zermürbende Verzweiflung um schwingt. OH HIROSHIMA spielen mit der Trauer, spielen mit diesem bleiernen Gefühl, spielen mit den Erwartungen und halten die Songs dabei in einer Dramatik, die stetig droht zu kippen.
Klassische Einflüsse – progressive Explosionen
Moderne Einflüsse und klassische Elemente mittels Piano oder Cello prallen aufeinander. „Humane“ und „Tundra“ gönnen sich eine progressive Explosion jeweils mittig in der Spiellänge platziert, doch auch diese vermittelt weiter den tragischen Grundton von „Myriad“ anstatt aufzubrechen und Positivität zu versprühen. Das beispielhafteste und gelungenste Stück auf der Platte ist „All Things Pass“. Die fast schon monotonen Vocals vermischen sich in einem See dahingleitender Gitarrenklänge und zelebriert, ja dreht und wendet sich in einer schwarzen Hülle voller Trauer.
„Myriad“: Von einer großen Welt in vertonter Verzweiflung
OH HIROSHIMA legen mit „Myriad“ hörbar eine Menge vor. Gleichzeitig ist dieses „Mehr“ an tieftrauriger Emotionen und einem Riesenschwall vertonter Verzweiflung eine Kost, die nicht für jede Tageslaune bestimmt ist, nicht bestimmt sein kann. Die Klangwelt, die die Post-Rock Band aus dem Norden dieses Mal erschaffen hat, ist eine große; voll düsterer Ecken und weiten, schwarzen Schatten. Diese anspruchsvolle Tristesse verbraucht sehr viel Platz, für die man sich Zeit und Raum geben muss, um am Ende sagen zu können, dass sich OH HIROSHIMA mit „Myriad“ weiterentwickeln konnten.
Freue mich sehr auf den Release nächste Woche, der Vorgänger, der ja hier nur mittelmässig Euphorie auslöste, läuft bei mir nach wie vor ziemlich oft. Der Track hier ist super! „ Diese anspruchsvolle Tristesse verbraucht sehr viel Platz, für die man sich Zeit und Raum geben muss […]“, hört sich nach der richtigen Platte für diese Zeit an.