Von den Lithauern OBTEST habe ich nur vor beinahe zehn Jahren mal ein Tape gehört, und das war rumpeliger Black Metal, an den ich mich beim besten Willen nicht mehr genau erinnern kann – und jetzt, das dritte Album. Man wird alt. Die Zeit bleibt nicht stehen, das wird gerade an diesem Album sehr deutlich. Fernab ihrer polterigen Wurzeln spielen OBTEST im Jahr 2005 schmissigen, stilsicheren Pagan Metal mit einem guten Schuss Heaviness. Eingängiges Schlagzeug begleitet prägnante Metalriffs, die nach dem zweiten oder dritten Hören hängenbleiben, dazu gibt es überaus melodiöse Leadgitarren und gewöhnungsbedürftigen Gesang. Um sich an den zu gewöhnen braucht man schon eine gewisse Zeit, weil der Herr zum einen gänzlich in der Heimatsprache singt, zum anderen die Darbietung mit keiner der bekannten Vortragsarten vergleichbar ist. Er kreischt nicht, er schreit nicht, er grunzt nicht, er singt nicht clean. Stattdessen hat er sich irgendwo zwischen rauer Stimmlage und Power Metal eingependelt, aber mit einer höchst eigenwilligen und charakteristischen Färbung. Man sollte das einfach mal hören, wenn man sich ein Bild machen will.
Es ist wirklich nicht leicht, das Album stilistisch und von seiner Stimmung her einzuordnen. Für typischen Viking Metal passiert zu viel Metallisches, für Heavy Metal sind die Stücke zu hymnisch, für Black Metal ist alles bei weitem zu verspielt und beschwingt (von dem ziemlich straight düsteren „Audronasa“ abgesehen). Am ehesten würde ich OBTEST noch mit MITHOTYN und SUIDAKRA vergleichen, wobei ich gleich sagen muss, dass „Is Kartos I Karta“ vermutlich das Album geworden ist, das beide Bands bestimmt gerne immer aufnehmen wollten. So frisch und mit authentischer Spielfreude ist seit langer Zeit keine Band mehr gesegnet gewesen, und das macht einfach Spaß. Es stecken viele Gedanken, viel Arbeit, viel Tradition und Versenkung im Wesen dieser Musik, merklich mehr als in den meisten Werken westlicher Bands. Die Produktion steht dem auch in nichts nach, die ist organisch, druckvoll und angenehm zu hören. Damit haben sie mehr geleistet als 100% aller kitschigen Pagan-Metal-Bands unserer wunderbaren germanischen Nation. Dass die Platte bei mir nicht mehr Punkte abgreift liegt einfach daran, dass ich ihr nicht sehr viel mehr abgewinnen kann als ein halbes Dutzend netter Hördurchgänge – Gänsehaut ist Fehlanzeige.
OBTEST haben also im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles richtig gemacht: sie haben ihre Platte nicht überfrachtet, Stücke in anständiger Länge und mit eigenem Charakter geschaffen, sie mit Herzblut und Überzeugung gespielt, ihre baltische Herkunft nicht verleugnet, haben sich nicht verkauft und sind bei ihrem kleinen Heimatlabel geblieben. Beste Voraussetzungen, um in dieser Szene auf ganzer Linie zu scheitern.
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