Die portugiesischen Black Metaller von GAEREA sind ja eigentlich schon seit ihrem ersten Album „Unsettling Whispers“ so etwas wie Everybody’s Darling, zumindest im Underground. Auch das letztjährige Doppelalbum „Mirage“ konnte ordentlich punkten, also kann man doch auch ruhig mal ein wenig kommerziellen Selbstmord wagen. Zumindest fällt dieses Stichwort immer wieder gerne, wenn es um Alben mit nur einem überlangen Song geht. Dem GAEREA-Gitarristen und Sänger Guilherme Henriques und dem mittlerweile bei den Schwarzmetallern ausgestiegenen Drummer Pedro Soares dürfte das für ihr Side-Projekt OAK relativ egal sein, schließlich beschäftigen sie sich dabei mit Funeral bzw. Death Doom, da sind überlange Songs ja eigentlich eh Standard. Season Of Mist sieht das offenbar auch so und brachte das sperrige „Disintegrate“ kurzerhand unters Volk.
OAK – Mit der Extraportion Atmosphäre
Schon zu Beginn der knapp 45minütigen Reise wird klar, OAK setzen nicht nur auf endlose Dunkelheit samt tiefem Gegurgel, sondern in fast allen Phasen auf die Extraportion Atmosphäre. So klingen die gezupften Gitarren zu Beginn fast schon hoffnungsvoll, nach aufgehender Sonne über einem nebelverhangenen See in einem Moment, in dem noch nicht ganz klar ist, wer letztlich die Oberhand gewinnt – Sonne oder Nebel. Die schweren, geradezu bedeutungsschwangeren Schläge der Bassdrum verraten es natürlich schon, wer hier letztlich Sieger ist, dennoch setzen Henriques und Soares erst einmal weiterhin eher auf Melancholie als auf abgrundtiefe Trauer.
Langsam aber stetig entwickelt sich die Platte immer stärker hin zu klassischem Death Doom, die Verzweiflung des Protagonisten scheint zuzunehmen und findet sowohl durch den immer eindringlicheren Gesang als auch die Gitarren, die alles ätherische verloren haben, ihren Ausdruck. Etwa ab Minute zwölf scheinen dann auch erstmals die Black-Metal-Einflüsse der Musiker durch, die ohnehin immer wieder spürbar sind und „Disintegrate“ noch eine Spur interessanter machen. Seien es die immer etwas heiseren Shouts, die eben nicht wie auf jeder anderen Death-Doom-Platte klingen oder auch die zurückhaltendere, natürliche und vor allem zu keinem Moment auf Epik setzende Produktion – OAK schaffen es Akzente zu setzen, obwohl das Genre klar umrissen bleibt.
Einige Ausnahmen gibt es natürlich, vor allem wenn die Wut in der Stimme von Guilherme Henriques die Oberhand gewinnt oder das Schlagzeug wie selbstverständlich beginnt, vor sich hin zu blasten. Genau das sorgt aber letztlich dafür, dass es trotz der erheblichen Länge nicht langweilig wird, die Spannung was als nächstes passiert zu jeder Zeit gewahrt bleibt. Wie die Portugiesen es schaffen, dass „Disintegrate“ trotz aller Windungen und Verzicht auf ein sich durchziehendes Grundthema eben doch wie aus einem Guss klingt, bleibt dabei wohl ihr Geheimnis.
45minütige Tour de Force – „Disintegrate“
„Disintegrate“ nimmt den Hörer mit auf eine 45minütige Tour de Force, die gefühlsmäßig weder einfach zu erfassen noch zu bewältigen ist und von Minute zu Minute schwärzer zu werden scheint. Auch wenn zu Promotion-Zwecken einige Stellen herausgegriffen wurden, ist es dringend zu empfehlen, sich das zweite OAK-Album unbedingt in einem Stück anzuhören, denn nur so entfalten die verschiedenen, Wellenbewegungen gleichenden Phasen ihre volle Wirkung, ohne aus dem Zusammenhang gerissen zu werden.
Durchaus ambitioniert, aber nie überambitioniert schafften es OAK, eine derart dichte Atmosphäre zu erzeugen, dass der auf dem ebenfalls äußerst gelungenen Cover Artwork abgebildete, alles verschlingende Strudel vor den Augen des Hörers Wirklichkeit wird. Der absolute Funeral-Doom-Purist mag zwar die Nase rümpfen, wer aber kein Problem damit hat, wenn der Zeitlupen-Metal zwischenzeitlich immer wieder ordentlich angeschwärzt wird, der sollte sich diese wirklich gelungene Platte unbedingt zulegen.
Wirklich sehr starkes Album! Hier werden natürlich jegliche Death Doom Klischees bedient, man kauft der Band die Emotionalität gesanglich sowie musikalisch jedoch vollkommen ab.