O.R.k. - Firehose Of Falsehoods

Review

Da hinter O.R.K. so illustre Gestalten wie Pat Mastelotto (KING CRIMSON) und Colin Edwin (PORCUPINE TREE) stecken, ist wahrscheinlich nicht davon auszugehen, dass die Band sich viel aus den Vergleichen macht, die unsereins als Rezensent gewillt ist, zur Besprechung ihrer Musik zu machen. Es hilft halt einfach nicht, dass diese Band dank ihres Sängers Lorenzo Esposito Fornasari (oder kurz: LEF) und seiner Chris Cornell-Gedenk-Röhre nun mal so sehr nach SOUNDGARDEN klingt, speziell seit dem sie sich einen etwas Grunge-näheren Sound auf ihrem Drittwerk „Ramagehead“ zu eigen gemacht haben. Das Quartett macht anno 2025 allerdings wieder mehr Anstalten, progressiver zu klingen, als auf dem direkten Vorgänger „Screamnasium“.

Trotz auffälliger Grunge-Nähe bleiben O.R.K. eine ausgesprochen kreative Band

Die Nähe zu SOUNDGARDEN ist natürlich keineswegs etwas Negatives, speziell „Badmotorfinger“ und „Superunknown“ scheinen stets verschmitzt um die Ecke zu lugen. Aber die Band schreibt ihre Songs eben doch kreativ und progressiv genug, um sich abzuheben. Eine der Schlüsselkomponenten der neuen Platte „Firehose Of Falsehoods“ bleibt Carmelo Pipitones extrem abwechslungsreiches Riffing zwischen geradlinigem Hard Rock-Bravado á la „The Other Side“, atmosphärischen Arpeggios wie in „Mask Becomes The Face“ und kreischenden Licks wie in „Beyond Reach“. Dabei segeln seine Riffs stets über den Harmonien hinweg oder tauchen drunter durch, was kombiniert mit regelmäßig eingesetzten Pinch Harmonics ein extrem dynamisches Klangbild erzeugt.

Eine weitere Komponente hinsichtlich Eigenständigkeit ist das Songwriting selbst, das sich in bester O.R.K.-Tradition nie zu offensichtlich in Karten schauen lässt. Zum Beispiel eröffnet das Quartett die Platte mit dem irgendwie fast zwielichtig klingenden „Blast Of Silence“ zwischen seinen grüblerisch klingenden Strophenteilen und der explosiven Hook. Dann hauen sie ihrer Hörerschaft mit „Hello Mother“ einen peppigen Rocker um die Ohren, der tatsächlich auch eine B-Seite von „Badmotorfinger“ hätte sein können, zuzüglich einiger polyrhythmischer Spielereien, welche die Band hier irgendwie auch noch reingestopft hat. Und dann liefern sie auf „The Other Side“ wieder einen täuschend simplen Track zwischen zünftigem Krach und eindringlicher Stimmung.

Die Experimentierfreude hält weiterhin uneingeschränkt Einzug in die Musik

Gelegentlich werden subtil Synths untergehoben, entweder in Form von einem leichten Raunen des Mellotrons im Opener „Blast Of Silence“ oder den Streichern in der Hook von „Mask Becomes The Face“. Das wird einem nie zu offensichtlich aufs Brot geschmiert, verstärkt das Hörerlebnis aber ungemein. Und dann sind da natürlich noch LEFs Vocals, der in praktisch jeder Lebenslage eine hervorragende Figur macht, seien es explosive Refrains wie in „Blast Of Silence“ und „PUTFP“, soulige Momente wie in „16000 Days“ oder geradezu transzendentale, mehrfach mit sich selbst multiplizierte Gesangslinien, die den knapp vierzehnminütigen Rausschmeißer „Dive In“ bevölkern.

Edwin spielt gewohnt songdienlich, lässt sich allerdings auch nicht mit seinem Tieftöner allzu sehr unterbuttern. Erwartungsgemäß stechen seine Einsätze in den akustischen Passagen besonders hervor, was er jedoch nicht für irgendwelche Egotrips ausnutzt. Gleiches gilt für Mastelotto, der recht heavy und straff groovend spielt, aber ebenfalls songdienlich arbeitet und sich selten zu ausladenden Fills hinreißen lässt. Und auch wenn Pipitone einen Großteil des Klangbilds für sich einnimmt, spielt er zu keiner Zeit zu masturbativ, was der Hörbarkeit der Platte ungemein zuträglich ist, selbst wenn sie den etwas glatteren Sound ihres Vorgängers „Screamnasium“ wieder abgestreift hat.

Und obendrauf hält „Firehose Of Falsehoods“ ein packendes Finale parat

Damit ist „Firehose Of Falsehoods“ in seiner Gesamtheit ein erneut herausragendes Release in einer Diskografie von herausragenden Veröffentlichungen geworden. Der  Hang zu etwas mehr Exzentrik anno 2025 trägt den Spirit des Debüts „Inflamed Rides“ weiterhin im Herzen, der von der geschätzten Vorrednerin so passend umschrieben worden ist:

Das Prog-Quartett […] legt ein Album vor, das zunächst anmutet, als wolle es unbekümmert an uns vorbei plätschern. Doch innerhalb weniger Takte entfaltet [es] einen Klangteppich, der so recht in keine Schublade passen will – oder muss – und trotz/wegen Stilmix und Moodswing-Attacken fast beiläufig so richtig ins Herz trifft.

Das gilt auch neun Jahre später bei „Firehose Of Falsehoods“, mit dem O.R.K. keine ihrer Kernkompetenzen trotz einer erhöhten, klanglichen Verwandtschaft zu SOUNDGARDEN eingebüßt haben. Und wer einen Beweis für die große Prog-DNA der Band sucht, höre vor allem den vielschichtigen Rausschmeißer „Dive In“, der fast wie eine Bilderbuchlektion in Sachen Songlayering wirkt. Dass so ein Track vor allem nicht fehl am Platz wirkt auf einer Trackliste, in der auch mal mit dicker Hose gerockt wird, zeigt, was für großartige Musiker hier am Werk sind. Wer’s verpasst, ist selbst schuld …

24.03.2025

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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