Es gibt sehr viele Wege, sich auszudrücken. Einer der beliebtesten und, sprechen wir von Emotion und Gefühl, auch effektivsten ist der Musikalische. Einige Interpreten prügeln sich dabei die Seele aus dem Leib, um Aggression und Hass zu vertonen, andere bringen in ihren Stücken jedwede Moll-Pentatonik unter, wohl um all ihre Gefühle der Tristesse zu vertonen.
Das ist alles eine schöne Sache, somit kann ein jeder sich aussuchen, was ihm in der Situation an Emotion gelegen kommt; allerdings ist meiner Erfahrung das Spektrum der Gefühle ein weit gefächertes, die Beschränkung auf eine Seite erscheint unmöglich, der Versuch wie ein lachhaftes Aufbäumen. Ähnliches müssen sich auch NUCLEUS TORN bei der Aufnahme zu Nihil gedacht haben, da hier die Weite des Spektrums stark hervorsticht.
Man wandert zwar nicht zwischen Euphorie und Depression – eine Bipolare Störung soll das Album ja auch nicht sein – sondern bewegt sich vornehmend im Traurigen; heraus sticht aber die Art des Schaffens, fast einzigartig ist, WIE es musikalisch ausgedrückt wird.
Musikalische Schubladen scheinen der Band unangenehm zu sein, sie kreieren ihr Gesamtkunstwerk lieber über eine Mischung, ja eine Symbiose, aus etlichen Richtungen.
Schon einige Bands sind an dem Versuch gescheitert, Genreübergreifendes zu schaffen; NUCLEUS TORN jedoch mischen Folk, Neoklassik, Rock, Metal und viele weitere feine Nuancen, als sei es eine Selbstverständlichkeit.
Es ist ein schwer verdauliches Werk, das die Band da geschaffen hat und auch der Zugang zu den einzelnen Liedern fällt nicht leicht. Auf sanftes, bezauberndes Spiel der Akustikgitarre, in Einklang mit zartem Frauengesang folgt eine Passage dominiert von verzerrter E-Gitarre, treibendem Schlagzeug und eigenartigen Männergesang, der wohl ganz bewusst sehr schief daherkommt.
Im Allgemeinen ist das Album beherrscht von düsteren und dunklen Tönen – mir kam einmal das Wort „Apocalyptic Folk“ zu Ohren, welches hier stellenweise passt: Wo Violine, Schlagzeug und Gitarre mit wirklich beschwörendem Gesang in Rausch gipfeln, nur um dann auszusetzen und stiller, ganz unterschwelliger Melodie Platz zu machen, da kann nur dieses Gefühl herrschen.
Trotz der Vielfalt, der wirklich eigenständigen Mischung, wirkt das Album homogen – wie ein Wechselbad, vorwiegend dunkler, Emotionen. Auch der Sound ist sehr ausgewogen, keines der doch so unterschiedlichen Instrumente hat eine Dominanz, die es nicht haben sollte, jede Note findet ihren Platz im stimmigen Gesamtbild.
Stellenweise mögen die Vocals etwas zu experimentell und zu sehr neben der Spur sein und der ein oder andere wird vielleicht nur schwer, vielleicht auch gar nicht, Zugang zu der Dimension von NUCLEUS TORNs musikalischem Schaffen finden, denn es bedarf schon einiger Anstrengung.
Wer allerdings Freude daran findet, sich mit komplizierter und anspruchsvoller Musik zu beschäftigen und sich des intensiven Hörgenusses hinzugeben, der wird dieses Album zweifelsfrei schätzen. Somit sei jedem ans Herz gelegt, selbst einmal reinzuhören und in die musikalische Welt von „Nihil“ einzutauchen, auch wenn die Tauchfahrt sicher anstrengt.
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