Nucleus Torn - Andromeda Awaiting

Review

Nach “Nihil” und “Knell” erscheint mit “Andromeda Awaiting” nun der letzte Teil der konzeptionellen Trilogie der Schweizer Ausnahme-Band NUCLEUS TORN. Und auch dieses Mal haben es die sieben Musiker um den Projekt-Initiator und kreativen Kopf Fredy Schnyder mutig darauf angelegt, die Fülle der menschlichen Emotionen musikalisch umzusetzen, sich dabei ein weiteres Mal völlig neu zu erfinden und dem Hörer so neue, einzigartige, beeindruckende und verzaubernde Klangwelten zu eröffnen.

Wer mit NUCLEUS TORN vertraut ist, der weiß, dass sich die Kompositionen der Schweizer nicht ansatzweise in ein musikalisches Korsett pressen lassen. So fließen auch auf “Andromeda Awaiting” unzählige Einflüsse, wie solche des Progressive Rock, Avantgarde Metal, Folk, Jazz oder sogar der Neoklassik und Musik aus Mittelalter und Renaissance, ineinander und erneut schaffen es die sieben Musiker auf beeindruckende Art und Weise, diese auf den ersten Eindruck völlig inkompatiblen Elemente kunstvoll zu einem homogenen, wunderschönen Ganzen zu formen. Besonderen Fokus legen NUCLEUS TORN bei der Umsetzung ihres Konzepts natürlich auf die Instrumentierung. Bei dieser stellt vor allem das klassische Klavier ein entscheidendes Mittel dar, so unterlegt es die Kompositionen mit zarten, träumerischen, verzaubernden Klangteppichen, die von sanft gezupften Akustik-Gitarren umspielt und von mal schleppenden, schweren, düsteren, mal luftigen, heiteren Streichern begleitet wird. Darüber legen sich mal wechselnd, mal zusammen spielend Melodien von verschiedenen Flöten oder einzelnen Geigen. Diese Zusammenstellung mag an sich zwar schön, aber nicht besonders außergewöhnlich klingen, doch das besondere liegt bei den Kompositionen NUCLEUS TORNs gerade nicht lediglich in der Zusammenstellung, sondern den Arrangements im Wechselspiel der einzelnen Instrumente, der Dynamik, dem Spiel mit Lautstärke und Intensität. Je nach Stimmung der Stücke – NUCLEUS TORN haben sich von der Vertonung von dunklen, düsteren Emotionen auf “Nihil” und den starken Stimmungsschwankungen zwischen tiefster Depression und leuchtendem Enthusiasmus auf “Knell” abgewandt und widmen sich auf “Andromeda Awaiting” weit versöhnlicheren, weniger extremen Gefühlen, wie Neugierde, Verträumtheit, Harmonie oder Gespanntheit, verlieren aber auch diesmal nicht den ihren tristen Unterton – können die Instrumente dem Hörer gemeinschaftlich als dichte, gewaltige Klangwand gegenüber stehen, doch schon im nächsten Moment kann nur ein kleines Ensemble oder eine ganz allein stehende Melodie, manchmal sogar lediglich ein kurzes Einsprengsel oder gar völlige Stille die Soundlandschaft allein bestimmen.
In dieser Landschaft finden neben zahlreichen, kaum erfassbaren Details, wie beispielsweise der jazzigen Schlagseite einiger Melodien von “I” oder dem leicht orientalischen Flair von “III”, auch die klaren, sanften, angenehmen Stimmen von Maria D’Alessandro und Patrick Schaad ihren Raum, dominieren die Kompositionen jedoch nie, sondern fügen sich, ähnlich wie die einzelnen Instrumente, nahtlos in die Gesamtheit von “Andromeda Awaiting” ein. Hier könnte man kritisieren, dass besonderes die männlichen Gesangslinien etwas zu eindimensional und streckenweise emotionslos daher kommen, doch trägt gerade die Zurückhaltung im gesanglichen Vortrag meiner Meinung nach dazu bei, dass die Stimmen der Vokalisten nie zu sehr in den Vordergrund rücken und sich so die Musik selbst am besten entfalten kann, der Hörer ihr die größte Aufmerksamkeit schenken kann.

Einzig schade finde ich, dass die Band sich von den aggressiven, plötzlichen Ausbrüchen aus der grundlegenden Ruhe aller NUCLEUS TORN-Kompositionen, die besonders “Knell” einen ganz besonderen, gefährlichen Charme verliehen, so gänzlich verabschiedet hat. Aber dennoch stellt “Andromeda Awaiting” einen optimalen, versöhnlichen Abschluss der Trilogie NUCLEUS TORNs dar und sollte jeden Fan der vorherigen Alben problemlos begeistern können. Doch auch wer bisher nicht mit der Band vertraut ist, kann sich dieses Album einmal zu Gemüte führen, denn man findet wesentlich leichter Zugang zu den Kompositionen auf “Andromeda Awaiting”s als zu denen der vorherigen Alben, wozu nicht zuletzt auch die die grundlegend eher harmonischere musikalische Ausrichtung verantwortlich sein könnte. Nichtsdestotrotz ist auch “Andromeda Awaiting” ungemein sperrig und komplex und braucht unzählige Durchläufe, um sich dem Hörer zu erschließen. Wer mit anspruchsvoller Musik also nichts anfangen kann, ist ganz an der falschen Adresse. Wer sich hingegen gern intensiv mit einem Album auseinander setzt und bereit ist, sich die Zeit dafür zu nehmen, sollte hier unbedingt zugreifen.

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19.11.2010

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