Nortt - Ligfærd

Review

Geister, jene rastlosen Wesen, die in keinem der spirituellen Reiche von Erde, Himmel oder Hölle ihren Platz finden, und auf ein ewiges in den Zwischenwelten verdammt sind. Mag man nun daran glauben oder nicht, aber manche Menschen haben längst den Scheideweg zwischen Leben und Tod verlassen, wandeln ebenfalls in einer Welt, unsichtbar für die Meisten, abseits der Realität. Wird der Tod immer wahrscheinlicher und scheint das eigene Leben zu verblassen, öffnen sich in dieser Zwischenwelt Pforten, während andere sich verschließen, bis irgendwann eine Rückkehr in die Realität unmöglich wird.

Beinahe wie eine nüchterne Einsicht in die Hoffnungslosigkeit mag das wirken, was den Hörer auf „Ligfærd“ erwartet, kein Streben nach Glück, kein Wille zum Leben, der diesen unaufhaltsamen Strom dunkler Energien aufzuhalten vermag.
Der ‚Marsch der Toten‘ – sind es jene Geister, die Seelen Verstorbener? Oder sind es die Menschen, deren Körper unlängst jegliches Seelenleben verloren hat, auf dem Weg zum Ende ihres irdischen Daseins.
Sechs Akte, sechs Momentaufnahmen dieser veränderten Realität, sechs kurze Einblicke in die Psyche von NORTT, der hier ultralangsamen Funeral Doom in pechschwarzem Gewand mit perfektioniertem Dark Ambient der Klasse LUSTMORD verbindet. Zuweilen ziehen verirrte Melodien aus der Ferne an uns vorbei, Kirchenglocken läuten in die weite Leere, wie ein sterbendes Herz schlagen die Drums, schwerfällig und fast bewegungslos. Tief und verzerrt ertönen die Gitarren, die sich meistens nur noch auf die Akkorde zu den kalten Keyboardmelodien beschränken.

„Ligfærd“ ist Minimalismus bei absoluter Intensität, ein Meisterwerk depressiver, selbstzerstörerischer Tonkunst. Hier gibt es keine melancholischen Stimmungen mehr, hier klafft ein endloser, schwarzer Abgrund, ein Weg ohne Rückkehr. Das Konzept des Funeral Doom wird hier auf die Spitze getrieben, und in der perfekten Symbiose mit Dark Ambient verlangt es dem Hörer einiges ab. Die geistige Welt von NORTT zu betreten bedeutet, sich auf die abgrundtief nihilistische Stimmung des Albums einzulassen – das mag genauso schwer fallen wie der Versuch, sich aus einer solchen Lage wieder aus eigener Kraft zu befreien. Für NORTT ist der Tod die einzige Erlösung, der einzig erstrebenswerte Punkt im menschlichen Leben. Die Intensität, die dieses Album ausstrahlt, hat es sich erst einmal dem Hörer geöffnet, zeigt die möglicherweise erschreckend erscheinende Authentizität der Musik in Hinsicht auf das Leben des Künstlers. Das ist keine Fassade, hier hat wirklich jemand mit einem gewissen Teil seines Lebens abgeschlossen.

„Ligfærd“ ist eins der mit Abstand finstersten und lebensverneinendsten Alben aller Zeiten, und stellt gleichzeitig den (momentanen) kreativen Höhepunkt des Dänen NORTT dar.
Löscht das Licht, setzt euch die Kopfhörer auf, lasst euch treiben – und kehret wieder!

23.07.2007

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5 Kommentare zu Nortt - Ligfærd

  1. Matthias sagt:

    Herausragendes Review! NORTT bedienen die musikalischen Abgründe wie kaum eine andere Band. Totale Schwärze und nahezu beängstigender Stillstand vereinen sich zu einem tödlichen Gemisch. Sehr abgefahrenes Album, das seinesgleichen sucht. Wer etwas anderes, etwas besonderes hören will, zieht sich "Ligfærd" von NORTT rein. Daumen hoch!

    8/10
  2. Anonymous sagt:

    Was habt ihr nur alle mit dem Tod? Ich ziehe das Leben vor. Mit der "Musik" kann ich gar nichts anfangen.

    5/10
  3. holzmichl sagt:

    8 Punkte sind in Ordnung.
    Das Review triffts ziemlich gut, ich hab mir die CD nun besorgt und es ist schon recht abgefahrene Musik. Absolut nichts für Fast-Food Fans. Nortt ist wie ein Abgrund in den man unweigerlich hineingezogen wird – wenn man sich darauf einlässt.

    5/10
  4. holzmichl sagt:

    jetzt hab ich doch glatt 5 statt 8 gegeben, naja zum Ausgleich einmal 10 😉

    10/10
  5. draken sagt:

    Einfach nur genial. Das schwarze Juwel aller düsteren Meisterwerke. Auf dem Album wird viel mit Ambient gearbeitet, welcher perfekt mit den eingängigen, tiefen, krachenden Riffs und dem mordslangsamen Rhythmus verschmilzt. Die Musik umhüllt einem mit einer alles Leben aussaugenden Atmosphere. Die Vocals sind rostig, tief, roh und in Black-Metalmäßigem (nicht Death-Metalartigen) Growlen. Was mir auch gefällt ist, dass auch eine zerrende Melodie, welche der Atmosphere einen hoffnungslosen und traurigen Touch gibt, mit eingebaut wurde. Nicht zu vergessen, die beiden , vor sich hinwispernden Stücke dunkelstem Ambient am Anfang und Ende des Albums. Der Alleinunterhalter NORTT hat beste Arbeit geleistet. Ich selbst höre zwar hauptsächlich die High-Speed-Fraktion aber NORTT hat für mich das Tor zu Funeral Doom und Drone geöffnet. An alle Düsterfreaks und todessehnsüchtigen Seelen da draußen. Ich kann dieses Album nur empfehlen wohin es geht.

    10/10