Wie kann man ein Album beschreiben, das sich so völlig von der üblichen Unterhaltungsmusik abhebt? Wie soll man das eben Gehörte schriftlich wiedergeben, wenn es sich kaum in Worte fassen lässt? Lange habe ich mich mit dem neuen Album „Galgenfrist“ des dänischen Ein-Mann-Funeral Doom-Projekts NORTT beschäftigt und ich muss gestehen, dass ich selbst jetzt noch nicht so richtig weiß, was ich schreiben soll. Doch eine Frage, die der Däne dem Zuhörer penetrant an den Kopf schmeißt, ist wohl, wie man sich den Tod vorzustellen hat.
NORTT bietet uns mit „Galgenfrist“ die musikalische Umsetzung des Entlebens. Morbid, misanthropisch und minimalistisch könnte man die Kälte beschreiben, die mit der dritten Totgeburt NORTTs einhergeht. „Galgenfrist“ gebiert ein seltsames, schwärendes Eigenleben, fernab von aller Lebenslust und Freude, aber stets begierig nach dem letzten Atemhauch. Voller Klagelieder, Grabgesänge und sphärischem Dark Ambient paart sich der Tod in sieben Akten mit den überlebenden Seelen, um sie in die Mangel zu nehmen und mit in den Abgrund zu führen. Von dem gelegentlich verzweifelten Hauchen des Ausnahmekünstlers getragen, von immer wiederkehrenden, rastlosen Schattenwesen übermannt und von dem einsamen Piano unterstützt, wirkt „Galgenfrist“ wie ein großes Schauspiel intensiver und langsamer Laute, die in die Extreme gehen. Im Hintergrund vernimmt man stets die sonore Geräuschkulisse, die ihren Choral zur Opfergabe einstimmt – bis der letzte Vorhang fällt. Nachdem der Tod zur letzten Partie Schach eingeladen hat und die Skelette den Tanz der Toten eingestellt haben, verfliegt die Kälte. Blind von Impressionen aus der knapp einstündigen Zeremonie, bleibt nur einene neblige Masse aus Asche und Staub zurück.
An „Galgenfrist“ mögen sich die Geister scheiden – diejenigen, die sich hoffnungsvoll an ihr Leben klammern, werden in das unbekannte, dunkle Nichts gezogen. Den anderen wird stattdessen das nihilistische Herz aufgehen und nach langer Zeit wieder etwas wie Glückseligkeit empfinden. Die Musik, wenn man sie so nennen kann, lebt von der Atmosphäre sowie den Gefühlen und der Melancholie, die der Zuhörer währenddessen erfährt – vorausgesetzt, er lässt sich auf den Tanz mit dem Tod ein. Fakt ist aber, dass „Galgenfrist“ wirkt und NORTT beweist, wie perfekt intonierte Leere und Hoffnungslosigkeit zu klingen hat.
Keine großen Überraschungen, auch hier ist kein Licht am Ende des Tunnels zu erwarten. Dennoch gibts deutliche Unterschiede zu Ligfaerd, die Songs und auch der Sound sind diffuser, es geht deutlicher in Richtung Ambient. So ist die Musik simpel aber dennoch kaum greifbar, wie ein bedrohlicher, pechschwarzer Nebel der sich langsam über die Seele legt und den letzten Rest Leben aus ihr heraussaugt.
Wie ein Geist der nur noch lose an seinen Gebeinen festgehalten wird. Der Anfang mit den erklingenend und verklingend Ton ist zeitlos beklemmend. Irgendwann taucht auch mal Licht auf, aber vor dem schwarzen Schlund kann man es in diesem einen Mal nicht zuordnen!