Noctiferia - Death Culture

Review

Mit dem renomierten Label Listenable Records im Rücken, haben es NOCTIFERIA auf den internationalen Durchbruch abgesehen. Die Chancen dafür stehen hervorragend, denn „Death Culture“ ist in jeder Hinsicht überzeugend. Zum einen haben die Slowenen erneut auf Peter Tägtgrens (HYPOCRISY, PAIN) Gespür für einen effektvollen Mix und auf Jonas Kjellgrens (SCAR SYMMETRY) Händchen für qualitativ hochwertig veredelte Produktionen zurückgegriffen, und zum anderen zeigt sich das Quintett von ihrer bis dato brachialsten Seite, wobei gekonnt eingesetzte Breaks und Tempowechsel die kompakten Grundmauern auflockern und für durchschlagende Spannungsbögen sorgen, die das Album und das Konzept dahinter – der Umgang mit Demokratie, Kapitalismus, Geheimgesellschaften und Menschen, die ihre Seele für all das verkaufen, ohne mit der Augenwimper zu zucken – äußerst abwechslungsreich gestalten. Mit ihrem vierten Studioalbum stehen für NOCTIFERIA alle Zeichen auf Sturm.

Die stimmungsvolle Einführung bildet eine Rede von John F. Kennedy, in der Kennedy von gewissen Geheimgesellschaften berichtet, die über Leichen gehen, um die globale Vorherrschaft an sich zu reißen, und dass sich die Menschheit auf das Wesentliche im Leben besinnen muss, um ihr Schicksal abzuwenden: „Man will be what he was born to be: free and independent!“ Nur zwei Jahre später, am 22. November 1963, wurde Kennedy mit mehreren Gewehrschüssen getötet. Gänsehaut. Nichts liegt näher als der folgende Song: „Terror“ walzt ohne Gefangene zu machen erbarmungslos alles nieder, was ihm in die Quere kommt. Vom Industrial Metal des Vorgängers ist nur noch in Ansätzen etwas zu spüren, denn auf „Death Culture“ regiert technisch anspruchsvoll gespielter Death Metal, wie man ihn auch gern mal nach Göteborger Art kennen und lieben gelernt hat. Hat man sich an dieses Tempo gewöhnt, legt die Band noch einmal nach und präsentiert sich mit „Deluders & Followers“ im Black-Metal-Geschwindigkeitsrausch. So hätten SAMAEL auch klingen können: Dämonisch, bombastisch, fett.

Überhaupt bedienen sich NOCTIFERIA auf „Death Culture“ nicht nur an verspieltem Todesblei und tiefschwarzer Musikkunst, sondern ebenso konsequent am reichhaltig gedeckten Buffet anderer Metal-Genres: Thrashig schnelle, dynamische Riffs treffen genauso ins Schwarze wie Elemente aus Gothic und Industrial. Diesbezüglich können vor allem der Hitgarant des Albums, „Demoncracy“, ein Industrial-Metal-Stampfer im Midtempo, punkten, das von Chören getragene und leicht an HYPOCRISY erinnernde „Non Individuum“ und „Samsara“, ein Track, der trotz seiner ungeheuren Wucht einen durch tribalartige Drums und Ethereal-Vocals entspannenden Charme aufweist.

So viel Mut wird belohnt. „Death Culture“ ist ohne Frage ein starkes und rundes Album der Slowenen, das so manche Überraschung parat hält. Sänger Gianni Poposkis Vocals, Growls oder Sprechgesang, seine Fähigkeit, unterschiedliche Emotionen – und damit Bilder – in den Köpfen der Zuhörer zu erzeugen, erhebt das Album ganz eindeutig aus der Masse. Das einzige Manko ist der entstehende Eindruck, dass man die Songs teilweise etwas überladen hat, deshalb erschließt sich das Album auch nicht auf Anhieb. (Melodischen) Death Metal bekommt man so brachial und abwechslungsreich jedenfalls nur sehr selten zu hören. Das bisherige Genre-Highlight in diesem Jahr!

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27.02.2010

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